Glaubenskriege und Festungsbau
Büderich im 17. Jahrhundert
Seit dem Ende des 16. Jahrhunderts stritten mit dem Beginn der Glaubenskriege europäische Mächte um die Vorherrschaft, der Niederrhein wurde nun mit in den bereits seit 1568 tobenden Achtzigjährigen Krieg, der auch Spanisch-Niederländischer Krieg genannt wird, hineingezogen. 1586 eroberte unter Alexander Farnese von Parma ein spanisches Heer die Stadt, von nun an gaben sich in Büderich die Besatzer quasi die Klinke in die Hand. Je nach Besatzer hatten entweder Katholiken oder Protestanten besonders zu leiden.
Die Spanier errichtet zwischen der Grav-Insel und den Egerschen Höfen eine Schiffsbrücke, die linksrheinisch mit der sogenannten Egerschen Schantz befestigt wurde.
1587 unternahmen die niederländischen Oppositionellen – Geusen genannt – den Versuch, Büderich zu stürmen und die Mauern zu untergraben. 1590 schließlich hatten sie Erfolg und die Spanier wurden zum Abzug genötigt.1
Wilhelm Wolf berichtet in seinem zweiten Heft über schlimmste Verbrechen der Spanier an den Bürgern und Beiwohnern Büderichs in der Zeit zwischen 1586 und 1590, viele fanden dabei den Tod. Etwa 70 Häuser und Scheunen seien abgebrochen und verbrannt worden, darunter die Roßmühle, das Zollhaus und die Zehntscheune. Auch das fürstliche Haus und die Stadttore seien verdorben worden. Darüber hinaus habe die Pest viele dahingerafft.2
Der Weseler Zeitzeuge Arnold von Anrath berichtet in seiner Chronik in Bezug auf Büderich folgendes:
Anno 1586 [..] Im selben Jan und Zeitt eynnne Brucke uber den Rein laßen machen, dei welche durch das Eyß ist wederum abgedrehen.
Anno 1587 hatt der von Parma wederum eynne Brucke keggen den Cartheußer Kloster, den Graffen genant, gemacht. Aldeiweill daßelbe Kloster met Wellen und Rundelen woll versehn, waruf den ein groß Mennigte von Krigsvolck gelagt. Kegen über dißen Kloster uff jenseidt Reins, hatt imglicken eynne starke Schantz gelegen, welche dey Egersche Schantz geheitten, wahr tuschen dei Brucke so uber dem Rein gar versichert gelegen.[..]
Anno 1587 heben dey Hispannier der Burger Kinder binnen Burrick auff dei Ruster gelegtt und braden willen, alß auch gescheitt, den Eltern Geld darmet abzupressen, und veil unmensliche Stucken angerichtet.[..]
Anno 1590, den 5. September, sein dey Engelschen (Engländer) ankommen und haben dei Schantz, den Eger genandt, ingenamen. Haben daß Volck darin gelegen mest erschlagen und erwurget. Etzliche Dage hernach haben sei dei Stad Burick auch erobert, aber dei Krigsleut sein usgezogen.[..]
Anno 1590, den 13. Dag Octobris, haben dei Geußen dei Schantz der Graff und dei Egersche Schantz ubergeben, so bey Wesell gelegen mit einnen Ackortt und haben ungeferlich 4000 Brabantz Fl[orin] bekommen. Dey Borger von Wesell sein denselben Dag uthgezogen und dey Egersche Schantz met 3 Fenlin Burger wey auch etzliche bestelte Pawren nidergerißen biß zum Grunde. Im gleichen ist auch Burick ingereumet worden und verdragen und hatt unser Gnediger Herr seine Schutzen daren gelegt.3
1598 jedoch eroberte der spanische Admiral Don Francisco de Mendoza im sogenannten Spanischen Winter unter anderen Städten auch Büderich. Eine große Zahl von Soldaten wurde hier stationiert. Von 1600 bis 1614 lösten die protestantischen Niederländer die katholischen Spanier ab. Dementsprechend gab es ab 1602 auch wieder evangelische Prediger in Büderich und in den folgenden Jahren offenbar auch eine reformierte Schule.1
1603 wurde einer integren und wohlhabenden siebzigjährigen Frau aus Büderich vorgeworfen nachts am Hexentanz teilgenommen zu haben. In Kleve wurde sie zu Tode gefoltert und anschließend durch die Gassen geschleift. Ihr Körper wurde auf dem sogenannten Schindanger vergraben, einem Ort, an dem Vieh gehäutet und Tierkadaver verscharrt wurden. Dieser Fall muss einen bleibenden Eindruck auf den ebenfalls aus Büderich stammenden damals neunzehnjährigen Johannes Grevius, einem Sohn des damaligen Burggrafens, gemacht haben. Er wurde später zu einem Kämpfer gegen Folter und Hexenprozesse und wandte sich mit seiner Schrift Tribunal reformatum gegen selbige.4
Aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen und der Besetzung der Stadt, wurde der Rheinzoll 1603 nun endgültig nach Rees verlegt; der Handel brach zusammen und der wirtschaftliche Niedergang der Stadt setzte sich weiter fort. 1608 wurde somit auch die Taxe in Höhe von drei Talern an die Hanse nicht mehr entrichtet.1
Am 25. März 1609 starb der an einer Geisteskrankheit leidende Herzog Johann Wilhelm von Jülich-Kleve-Berg kinderlos und ohne Erben, worauf es obendrein zum Jülich-Klevischen Erbfolgestreit kam. Anspruch erhoben Johann Sigismund, Kurfürst von Brandenburg und Wolfgang Wilhelm, Pfalzgraf von Neuburg. Der Kurfürst von Brandenburg konvertierte, um die Unterstützung der Niederländer zu erhalten, vom lutherischen zum calvinischen Bekenntnis, der Pfalzgraf dagegen zum Katholizismus, um die Hilfe der Spanier zu erlangen. Gewissermaßen am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges wurde am 12. November 1614 mit dem Vertrag von Xanten dem Kurfürsten das Herzogtum Kleve sowie die Grafschaften Mark und Ravenstein zugesprochen, während Wolfgang Wilhelm die Herzogtümer Jülich und Berg zugesprochen wurden.1
Währenddessen wurde Büderich 1614 ein drittes Mal durch die Spanier eingenommen. Sie blieben bis zur Eroberung durch die Niederländer unter Otto van Gent am 9. November 1629 in Büderich.
Der Magistrat der Stadt Büderich wandte sich am 24. Juli 1618 an Kurfürst Johann Sigismund und beschrieb die Situation des verarmten Städtchens mit eindringlichen Worten. Die Leute liefen vor lauter Elend und Kummer um ihr Leben davon. Die Stadt könne die Einquartierung der 200 Mann nicht ertragen und baten um Entfernung des fremden Kriegsvolkes.5
1627 und 1629 wird der Ort als durch „brandt eingeäschert und abgebrandt“ bezeichnet.6 Der Weseler Chronist Heinrich von Weseken berichtet über die Folgen eines großen Feuers:
9. Junii [1629], auff Sonabendt, ist leyder nachmittags zu Budrich ein groß Fewr entstanden. Daruber die Kirch mit der Möllen und das Begijnnen-Hauß wie auch Bug[ermei]st[e]r Hendrich Kaecks und mehr andere Häuser mit viel Guts und woll 7 oder 8 Menschen todt verbrandt.3
Am 19. August 1629 wurde zunächst das benachbarte Wesel von niederländischen Truppen erobert. Wenige Tage darauf am 29. August unternahmen sie den Versuch auch Büderich einzunehmen, sie plünderten die Stadt, aber bevor sie auch die Burg einnehmen konnten näherten sich spanische Truppen, so dass sie sich zunächst wieder zurückzogen. Am 9. November 1629 folgte dann die Einnahme der gesamten Stadt durch die Niederländer. Der Zeitzeuge Heinrich von Weseken beschreibt das Geschehen wie folgt:
8. Novembr[is] haben sie Budrich belegert, da starck ei- und außgeschossen worden. Ist doch den 9. folgend mit Accordt erobert. Die Konigschen aber haben erst die Bürger spolyrt (beraubt). Darnha die Stadischen auch alß sie es auffs Casteel gefluchtet, ihnen wider abgenohmen.
15. Novembr[is] haben sie da wider einen calvinischen Prediger gesatzt.3
Gleich zu Beginn der niederländischen Besatzung wurde den Katholiken die Pfarrkirche entzogen und der katholische Pfarrer entlassen. Die Katholiken nutzten nun die kleine Klosterkirche für ihre Messen.
Bei einem Bildersturm der niederländischen Besatzer am 9. Juli 1630 wurde ein Teil des Kirchendaches der bereits im Jahr zuvor stark beschädigten Pfarrkirche durch Feuer zerstört. Nach Schoofs wurden dabei Altäre und das Baptisterium abgebrochen, alles wäre mit den Beichtstühlen und Chorbänken unter dem Turm aufeinandergeworfen und verbrannt worden, wodurch auch der Turm und ein Teil des Kirchendaches in Brand geraten wären.7
Trotz der prekären Lage stiftete die Stadt Büderich 1630 für die Weseler Willibrordi-Kirche ein Fenster.8
1630 wurde den Katholiken auch die Nutzung der Klosterkirche durch den niederländischen Gouverneur Freiherr von Dyden verboten. Der Pater des Klosters durfte den katholischen Bürgern weder die Sakramente spenden und sie noch nicht einmal zum Gottesdienst zulassen. Derartigen Beschränkungen unterlagen die Katholiken in den Generalstaaten nicht, daher wandten sich die katholischen Bürger Büderichs mit einer Petition an den Prinzen von Oranien. Als Folge erging ein Vierteljahr später der Befehl an den Governeur die Nutzung des Klosters für Gottesdienste der Katholiken zuzulassen.9 Und auch die katholische Schule fand offenbar in dieser Zeit Zuflucht im Kloster.
Die reformierten Bürger beschwerten sich ihrerseits 1631 darüber, dass den Katholiken mehr Freiheiten vergönnt wurden, als sie während der spanischen Besatzung gehabt hätten.10
1631 wurden Ratswahlen durchgeführt. In dem Zuge wurden auch Kirchmeister und Armen-Provisor gewählt. Zudem fand eine Gemeindeversammlung in der Kirche statt, in der Verordnungen erlassen bzw. Ratsbeschlüsse und Satzungen verlesen wurden.5
Die Niederländer bauten die Stadt ab 1630 zu einem mächtigen Festungssystem aus. Der Bau der Anlage, von der mehrere Pläne erhalten sind, und deren Spuren noch heute deutlich in der Landschaft und besonders auf Schummerungskarten zu erkennen sind, dürfte einige Jahre beansprucht haben.
Auch die Zeitebene Büderich als Festungsstadt haben wir im Rahmen unseres Projektes rekonstruiert und visualisiert:
Für die Instandsetzung der Pfarrkirche fehlten der verarmten Stadt bzw. der kleinen reformierten Bürgerschaft die Mittel, daher baten die Vertreter der Büdericher Gemeinde beim Convent der reformierten Weseler Classis um die Durchführung einer Sammlung für die Instandsetzung der Kirche.11
Auf der obigen Stadtansicht Merians aus dem Jahre 1647 wird die Kirche noch ohne Helm dargestellt, während die Stadtansicht van Croos die Kirche 1659 wieder mit Helm zeigt.
Der 1648 geschlossene Westfälische Friede, der einerseits den Dreißigjährigen Krieg und zugleich den Achtzigjährigen Krieg beendete und den Niederlanden die Unabhängigkeit brachte, führte am Niederrhein zu keiner wesentlichen Veränderung der Verhältnisse. So blieb auch Büderich weiterhin besetzt und auch der Jülich-Klevische Erbfolgestreit war noch immer nicht beigelegt.
Während die sternförmige Festung, die die gesamte Stadt einschloss, ausgebaut wurde, ließ man die aus militärischer Sicht überflüssig gewordene Stadtmauer und Burg verfallen. Die Burg wurde mehr oder weniger als Steinbruch vermarktet. So verkaufte man 1655 mit Genehmigung des Kurfürsten Friedrich Wilhelms Steine der Burg, um für 4200 Reichstaler eine offenbar wertvolle Bibliothek zu kaufen. 1661 erhielt das Kloster Gertrudenthal Holzbalken der Burg als Bauholz.
Der Jülisch-Klevische-Erbfolgestreit wurde erst am 9. September 1666 mit dem Vertrag von Kleve beigelegt. Demnach fielen das Herzogtum Kleve und die Grafschaften Mark und Ravensberg an den Kurfürsten Friedrich Wilhelm, während der Pfalzgraf Philipp Wilhelm die Herzogtümer Jülich und Berg sowie die kleinen flandrischen Herrschaften Wijnendale westlich von Gent und Breskesand auf der äußersten südwestlichen Scheldeinsel erhielt. Der Besitz der Herrschaft Ravenstein wurde erst 1671 abschließend geregelt, Brandenburg verzichtete nach dem Erhalt einer Zahlung von 50.000 Talern, so dass diese Herrschaft an Pfalz-Neuburg fiel.
Am 4. Juni 1672 lösten die Franzosen unter Marschall Turenne nach viertägigem Kampf die Niederländer ab. Zu diesem Zeitpunkt galten die Bollwerke jedoch schon als teilweise verfallen. Ludwig XIV. zielte mit dem Rhein als Grenze auf die „Abrundung des französischen Territoriums“. Die Burg und die Befestigungsanlagen mit Ausnahme der Stadtmauern wurden weitgehend geschleift, wobei das Bollwerk vor dem Rheintor offenbar weitgehend erhalten blieb, da es noch 1697 durch schriftliche Quellen belegt ist, und auch 1765 noch Reste der Befestigung erhalten waren. Die Stadtkirche wurde unter den Franzosen an die Katholiken zurückgegeben. Im November 1673 zogen sie wieder ab.
Ludwig der XIV. ließ die Einnahme der Stadt durch mehrere Bilder für die Nachwelt dokumentieren. Auf dem Bild Le Clercs ist die Festung gut zu erkennen, Frans Adam van der Meulen dagegen stellt die Stadt ohne Festungsring sehr detailliert dar.
Am 20. Juli 1673 wurde durch die kurfürstliche Regierung ein Religionsvergleich veranlasst. Dieser sah vor, dass die Reformierten die Renten aus den Vikarien und dem Pastorat erhielten, den Katholiken zum Ausgleich hieraus aber 100 Reichstaler jährlich zustanden. Die Kirche sollte gemeinsam genutzt werden. Da es in der Folge jeoch immer wieder zum Streit kam, wurde die Kirche 1675 durch eine Mauer geteilt, die Katholiken erhielten den Chorraum und einen Teil des Schiffes, die Reformierten den Turm und den anderen Teil des Schiffes. Der Friedhof wurde fortan gemeinsam genutzt. Diese Regelung bestand bis zur Zerstörung der Stadt 1813.1
Marcus Abram
Im folgenden Kapitel wird das 18. Jahrhundert behandelt, Büderich als preußische Landstadt
Quellen:
- Jörg Lorenz: Dem Erdboden gleichgemacht. Zeugnisse zur Geschichte der alten Stadt Büderich. Weseler Museumsschriften Band 25. Rheinland-Verlag, Wesel, 1989, ISBN 3-7927-1119-2, S. 33-37, 52
- Wilhelm Wolf: Geschichte der evangelischen Gemeinde Büderich bei Wesel, Heft 2, Moers, 1914, S. 62, 63
- Klaus Bambauer und Hermann Kleinholz: Geusen und Spanier am Niederrhein, die Ereignisse der Jahre 1586-1632 nach den zeitgenössischen Chroniken der Weseler Bürger Arnold von Anrath und Heinrich von Weseken, Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel, Band 14, Selbstverlag des Stadtarchivs Wesel, 1992, ISBN 3-924380-09-0
- Veit Veltzke: Johann Weyer und Reiner Solenander: Leibärzte und Humanisten im Dienste der letzten Herzöge von Jülich-Kleve-Berg IN: Wesel und die Niederrheinlande, Verknüpfte Geschichte(n), S. 280., Mercator-Verlag 2018, ISBN 978-3-946895-03-9
- Martin Wilhelm Roelen, Margret Wensky: Untergang und Neubeginn - vom alten und neuen Büderich, Selbstverlag des Stadtarchiv Wesels, 2013, ISBN 978-3-924380-30-4, S. 29, 51
- Margret Wensky: Zur Geschichte von Alt-Büderich in Büderich, in: Beiträge zur Stadtgeschichte, Selbstverlag des Stadtarchiv Wesels, 1987, ISBN 3-924380-04-X, S. 35, 36
- Johann Heinrich Schoofs: Geschichte der katholischen Gemeinde in Büderich, von den Tagen der Reformation bis auf die neueste Zeit, nach den Acten des Pfarrarchivs und des Dekanatsarchivs Xanten, Wesel, 1880
- Otto Hesse: Wesel und seine Willibrordi-Kirche nebst einem Führer durch die Sehenswürdigkeiten der Stadt, Verlag Carl Kühler, Wesel, 1898, S.14
- Dorothea Coenen: Die katholische Kirche am Niederrhein von der Reformation bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts, Münster, 1967, S. 113, 114
- Hermann Kleinholz / Wolfgang Petri: Sitzungsberichte der Convente der reformierten Weseler Classis 1611-1662, Rheinland-Verlag, Köln, 1980, ISBN 3-7927-0562-1, S. 89, 95, 132