Reiner Solenander
* 1524 in Büderich als Reiner Gathmann, † am 5. Januar 1601 in Büderich
Reiner Solenander wurde 1524 als Reiner Gathmann in Büderich geboren. Sein Vater Amelonchius Gathmann, der später auch den latinisierten Namen Solenander annahm, bekleidete in Büderich das Amt des Richters. Ob er neben seinem Bruder Johann, der ebenfalls Dr. der Medizin war, noch weitere Geschwister hatte, ist nicht bekannt. Er besuchte die Lateinschule in Wesel und war dort Schüler des ebenfalls aus Büderich stammenden Humanisten Johannes Peringius.
Ein Stipendium des Herzogs ermöglichte ihm ein Studium der Medizin und Philosophie in Löwen, Bologna, Pisa, Rom und Neapel. Er untersuchte und verglich die aus der Antike bekannten Thermalquellen von Ischia und wurde Badearzt in Lucca.
Zu seinen Lehrern in Italien zählte auch Johann Argenterius.
Solenander wandte sich 1556 mit seinem Werk Apologia qua Iulio Alexandrino respondetur pro Argenterio, wie sein Lehrer Argenterius, gegen die von Gelenus im 2. Jahrhundert vertretene sogenannte Vier-Säfte-Lehre, die noch viele Anhänger unter den Medizinern hatte.
Solenander interessierte sich neben der Medizin auch für Botanik, Geologie und Mineralogie und unternahm entsprechende Bildungsreisen in Italien.
Zwischenzeitlich lehrte er auch an den Universitäten von Paris, Orleans und Lyon, schließlich wurde er zum Professor ernannt.
1559 kam er in der Absicht sich als praktischer Arzt niederzulassen in seine Heimatstadt Büderich zurück. Stattdessen berief ihn aber Herzog Wilhelm der Reiche nach Düsseldorf, wo er neben Johann Weyer und Johann Lythodius als herzoglicher Leibarzt wirkte. Da er sich den Dienst am Hof mit Johann Weyer teilte, blieb ihm Zeit seine Forschungen bzgl. der heimischen Thermalquellen weiterzutreiben.
Solenander heiratete Maria Lythodi, die Tochter seines Kollegen und lebte mit ihr möglicherweise im Haus ihrer Eltern in der Zollstraße in Düsseldorf. Seine erste Frau Margarethe von Engenhuisen muss schon früh verstorben sein. Aber auch seine zweite Frau starb offenbar früh.
Ab 1562 jedenfalls lebte er wohl überwiegend wieder in Büderich. Am 30. November 1563 erwarb er ein Haus mit dem Namen Wals. Dieses muss sich an der Stadtmauer befunden haben, die Straße nannte sich Vossenstraße bzw. Fossenstert. 1565 erhält Solenander das Recht für seine Frau in der Büdericher Pfarrkirche am Sebastianusaltar eine Bank aufzustellen.
Aus seiner dritten Ehe mit Johanne von Eickelt ging ein Sohn, der ebenfalls den Namen Reiner bzw. Reinherus erhielt, sowie zwei Töchter mit den Namen Lucia und Katharina hervor.
Der Sohn wurde später Richter in Büderich, wie zuvor schon dessen Großvater. Lucia heiratete Martin Haen, den Prätor der Provinz Kleve, Katharina heiratete Heinrich Lambertius, den Konsul der Stadt Kleve.
1566 erlitt der Herzog einen Schlaganfall. Solenander linderte das darauffolgende Siechtum durch diätetische Maßnahmen. Von nun wird seine Anwesenheit bei Hof häufiger von Nöten gewesen sein, so dass man davon ausgehen kann, dass er nun einen großen Teil des Jahres in Düsseldorf verbrachte.
Solenander und Weyer begleiteten den Herzog oder dessen Familienangehörige bei verschiedenen Reisen, so auch 1573 Prinzessin Marie Eleonore von Jülich-Kleve-Berg bei ihrer Brautfahrt nach Königberg, wo sie Herzog Friedrich von Preußen heiratete. Vorab untersuchte er den Bräutigam auf dessen Gesundheitszustand.
Generell nutzte Solenander die Reisen auch um Kontakte zu Kollegen und anderen Gelehrten zu pflegen.
Er unterhielt, wie zuvor sein Lehrer Johannes Peringius, Kontakt zu Konrad Heresbach. Mit dem Kartographen Gerhard Mercator verband ihn eine tiefe Freundschaft. Mercators Augenleiden behandelte er erfolgreich mit Augentrost. Für den Mercator-Atlas verfasste er eine Art Vorwort, in dem er das Werk Mercators in den höchsten Tönen lobte.
Herzog Wilhelm V. starb 1592, an seine Stelle rückte sein Sohn Johann Wilhelm, dessen Gesundheit geistig und körperlich schwach war. Solenander gelang es nicht dessen Geistesschwäche und Melancholie zu beheben.
Nach dem Tod Wilhelm V. ließ sich Solenander nun dauerhaft in seinem Haus in Büderich nieder. Aus einer Urkunde vom 30. August 1593 geht hervor, dass er zudem hier eine Reihe von Grundstücken gekauft hatte.
Da der seit 1585 mit Jacobe von Baden verheiratete Herzog Johann Wilhelm 1595 noch immer kinderlos war, wurden am Hofe Pläne geschmiedet die Herzogin zu ermorden, so dass Johann Wilhelm eine neue Ehe eingehen könne. Es sollte vermieden werden, dass die Vereinigten Herzogtümer durch Vererbung einst an das protestantische Lager fallen könnten.
Hofmarschall Wilhelm von Waldenburg trat mit dem Ansinnen an Solenander heran, dieser solle Jacobe vergiften. Solenanders lehnt eine solche Tat entschieden ab, sein Antwortbrief vom 6. Januar 1595 ist überliefert:
[..] die Herzogin ist noch nicht gehörlicher Maßen verurtheilt, einen aber mit dergleichen Tranck und Süpplein hinzurichten, ist ärger und unverantwortlicher, als jemand mit dem Schwerte tühten lassen. Ich gewiß wolte lieber meines Amtes ja Lebens verlustig werden, als dazu behülflich seyn, und meiner bisher von Gott reich gesegneten Kunst solchen gräulichen Schandfleck anhängen und aus einem Hoff-Apothecker einen Abdecker und Büttel machen helfen.
Noch 1595 quittierte er den Dienst und zog sich nach Büderich zurück. Jacobe wurde zwei Jahre später tot aufgefunden, sie wurde wohl erdrosselt. Johann Wilhelm blieb auch in zweiter Ehe mit Antoinette von Lothringen kinderlos. Sein Tot am 25. März 1609 hatte den Jülich-Klevischen-Erbfolgestreit zur Folge, der Jahrzehnte andauerte.
Solenander sammelte und publizierte in seinen letzten Lebensjahren seine medizinischen Erfahrungen in dem Werk Consiliorum Medicinalium sectiones quinque, in dem insgesamt 133 verschiedene exemplarische Fälle von Nierensteinen über Schwerhörigkeit bis zur Melancholie nach damaligem Wissen und therapeutischem Vermögen geschildert sind.
Zeitlebens forderte Solenander eine Verbesserung der Ausbildung des medizinischen Nachwuchses, die neben der Theorie auch die Praxis am Krankenbett beinhalten sollte.
Er verstarb am 5. Januar 1601 in Büderich und wurde im Willibrordi-Dom zu Wesel beigesetzt. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass er im Laufe seines Lebens vom Katholizismus zum Protestantismus konvertiert war.
Sein Epitaph wird von A. von Dorth wie folgt beschrieben:
Im rechten, der beiden Wappen ist oben im Helm ein Flügel, im linken ein Balck zwischen zwei Hörnern. "Memento Mori. Hier liegt die Leiche des hochberühmten Arztes Reiner Solenander aus Büderich, im Jahre 1601, am Tage vor Epiphanie, in seinem 77. Lebensjahr aus dem Leben abberufen."
Werke
- Reineri Solenandri medici Apologia qua Iulio Alexandrino respondetur pro Argenterio. Apud Laurentium Torrentinum, Florentiae (Florenz) 1556
- De caloris fontium medicatorum causa, eorumque temperatione libri duo, et Philosophis et Medicis perutiles. Lugduni (Lyon), Apud Joannem Franciscum de Gabiano, 1558
- Reineri Solenandri Budericensis medici Consiliorum Medicinalium, Sectio prima. Johannes Franciscus de Gambiano, Lyon 1560
- Consiliorum medicinalium Reineri Solenandri, Budericensis, doctoris, medici Ducis Cliuensium, &c. Sectiones quinque. / Quarum prima ante annos trigintaocto, à Joanne Francisco de Gabiano Lugduni edita,; & cum consiliis celeberrimi medici Ioannis Montani in 16 excusa.; Reliquae quatuor ab auctore jam recens additae. Hanouiae (Hanau), Typis Wechelianis, apud Claudium Marnium & heredes Ioan. Aubrii., 1609
Literatur
- Melchior Adam: Vitae germanorum medicorum. Heredes Jonae Rosae, Johannes Georgius Geyder, Frankfurt/Heidelberg 1620
- Carl Binz: Solenander, Reiner. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 34, Duncker & Humblot, Leipzig 1892, S. 563–565
- Anton Wackenbauer: Dr. Reiner Solenander, ein niederrheinischer Arzt, Leibarzt am Düsseldorfer Hof. In: Düsseldorfer Jahrbuch Band 37, S. 96–140
- H. C. Erik Midelfort: Mad Princes of Renaissance Germany. University Press of Virginia 1996, ISBN 0-8139-1501-5
- Chronik – Interessantes aus der Vergangenheit Büderichs, in: Unsere Heimat, Heft 11, Heimatverein Büderich u. Gest e.V., 1993, S. 51-52
- Anton Wackenbauer: Dr. Reiner Solenander – Ein niederrheinischer Arzt aus Büderich, in: Unsere Heimat, Heft 17, Heimatverein Büderich u. Gest e.V., 2001
- Petra Herzog: Vom Badearzt in Lucca zum Leibarzt am herzoglichen Hof: Dr. Reiner Solenander. In: Jahrbuch des Kreises, Wesel 2003, ISBN 3-87463-333-0
- Klemens Dieckhöfer: Solenander, Reiner. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 24, Duncker & Humblot, Berlin 2010, ISBN 978-3-428-11205-0, S. 549
- Maurits Biesbrouck, Theodoor Goddeeris, Omer Steeno: Reiner Solenander (1524-1601): an important 16th century medical practitioner and his original report of Vesalius' death in 1564. Acta Med Hist Adriat. 2015; S.265-286. PMID: 27604197
-
Veit Veltzke: Johann Weyer und Reiner Solenander: Leibärzte und Humanisten im Dienste der letzten Herzöge von Jülich-Kleve-Berg In: Wesel und die Niederrheinlande, Verknüpfte Geschichte(n), Mercator-Verlag 2018, ISBN 978-3-946895-03-9
- Yvonne Gönster: Reiner Solenander, ein Mann mit glücklicher Begabung wird Leibarzt des Herzogs, in: Mercators Nachbarn, ein Gelehrten-Netzwerk im 16. Jahrhundert; Mercator-Verlag Duisburg, 2020, ISBN 9783946895312 S. 135-140