Neu-Büderich entsteht und gedeiht
1814 - 1869
Nur wenige Tage nach Vollendung der Zerstörung Alt-Büderichs wurden die Franzosen Mitte Januar 1814 von Preußen und Österreichern zurückgedrängt. Doch obwohl die Verbündeten im März 1814 in Paris eingezogen waren und Napoleon abgedankt hatte, verließen die französischen Truppen erst am 10. Mai 1814 die Festung Wesel. Nachdem die Belagerung Wesels ein Ende hatte, kehrten im Mai 1814 einige Büdericher Bürger zurück, um mit dem Bau von Nothütten zu beginnen.
Damit handelten sie gegen eine Weisung des preußischen Königs, nach der in der Umgebung von Festungen keine Vorstädte wiedererrichtet werden durften. Sie ließen sich auch nicht vom neuen preußische Festungskommandant General Karl Friedrich Franziskus von Steinmetz, der am 8. Mai 1814 in Wesel eingetroffen war, davon abhalten.
Am 1. August 1814 baten die Büdericher in einem Schreiben den König darum die Nothütten und Notscheunen bzw. deren Fertigstellung zu dulden und erhielten die Erlaubnis.
Schließlich hatten sich praktisch alle Bürger Büderichs auf ihren alten Grundstücken Nothütten errichtet, wie aus einem von Bürgermeister Terlinden im August 1814 aufgestellten Verzeichnis der Bewohner hervorgeht, eine Alternative hatten sie nicht.
Ein altes hölzernes Fortmagazin diente als Notkirche und mit einer englischen Spende wurde eine große Scheune für das Vieh und die Ernte errichtet.1 2 3 6
Die Nummerierung des oben erwähnten Bewohner-Verzeichnisses entspricht der franz. Hausnummerierung Alt-Büderichs, die auch bei den Abschätzlisten 1813/1814 verwand wurde. Darüber hinaus gibt die Tabelle Aufschluss über Namen, Aufenthalt, Beruf und Familienstand der Bewohner.3
Am 21. Juli 1814 wurde an der Straße von Wesel nach Geldern 1800 Schritte (knapp 1,5 km) stromaufwärts der Platz zum Bau Neu-Büderichs von der preußischen Verwaltung festgelegt.1
Am 11. August 1814 bildete sich eine Unterstützungskommission, um die aktuellen Nöte zu lindern und die zum Neubau erforderlichen Mittel zu organisieren. Die konstituierende Sitzung fand in dem vor den verschont gebliebenen Gasthof Arche des Wirtes Hink, der vor den Mauern des zerstörten Alt-Büderichs am Rhein lag, statt. An der Spitze standen der Kantonskommissar van Haeften aus Xanten, der Xantener Bürgermeister Ueberhorst, Hauptmann von Othegraven aus Wesel, Pfarrer Arnold Rechtmann aus Büderich, der Buchhändler Klönne aus Wesel sowie der Xantener Notar Houben. Van Haeften wurde zum Präsidenten bestimmt, Klönne zum Rendanten und Houben zum Sekretär. Die übrigen Herren wurden zu Beisitzern bestimmt.
Das Komitee initiierte mit Erlaubnis und Unterstützung des aus Kleve stammenden Generalgouverneurs Sack eine Kollekte im Generalgouvernement Mittel- und Niederrhein zur Unterstützung der Büdericher Bürger.1 2
Pfarrer Rechtmann entwarf hierzu folgenden Aufruf:
„Unter die letzten aber auch unglücklichsten deutschen Opfer des Krieges für die gerechte grosse Sache der Menschheit gehören die Einwohner des Städtchens Büderich, Wesel gegenüber. Als am Ende des Jahres 1813 die siegreichen alliirten Heere sich dem Rheine näherten, befahl der französische Gouverneur von Wesel, dass zur Sicherung des auf dem linken Rheinufer liegenden Forts ganz Büderich zerstört werden solle. Schnell wurde diese Zerstörung in's Werk gesetzt. Was der Axt und dem Feuerbrande widerstand, wich der zerstörenden Gewalt des Pulvers, und in wenig Tagen lag ein sonst blühendes Landstädtchen von einigen hundert Häusern sammt der Kirche in Schutt und Asche. Jammernd irrte der zitternde Greis am Stabe, das Kind an der Hand des trostlosen Vaters umher, und die verzweifelnde Mutter hielt flehend den Säugling gen Himmel. So waren mitten im Winter, mitten im Kriege über tausend Menschen hinausgestossen in die Welt, ohne Schutz, ohne Zuflucht, ohne Hülfe, ohne Hoffnung. Doch nein! ihr Schutz war der Vater im Himmel, ihre Hülfe das Mitleid ihrer Nachbaren, ihre Hoffnung ist noch jetzt das Vertrauen auf die Menschheit. Die Unglücklichen wurden in der Nachbarschaft aufgenommen, oft in die Hütte des Dürftigen, der den selbst mühsam erworbenen Bissen mit ihnen theilte, an seinem Feuer ihre entsblössten Kinder wärmte.
Der Schaden an Gebäuden beläuft sich auf eine Million neunundachtzigtausendeinhundertzweiunddreissig Franken. Doch viel grösser wird dieser Betrag, wenn man berechnet, was an Effecten verloren ging, und wenn man bedenkt, dass der gänzliche Verlust aller Nahungs-Quellen gar nicht zu schätzen ist." 2
Generalgouverneur Sack erließ eine Verordnung wie die Kollekte zu organisieren sei:
„Um Ordnung und Einheit in dieses Geschäft zu bringen und den beabsichtigten wohlthätigen Zweck möglichst zu befördern, habe ich Folgendes beschlossen und verordne hiermit:
- Gleich nach Empfang dieses werden die Herren Gouvernements-Commissarien vorstehenden Aufruf und gegenwärtige Verordnung in solcher Anzahl abdrucken lassen, dass in jeder Stadt auf das andere, und in jedem Flecken, Dorfe — auf das vierte Haus ein Exemplar kommt.
- Sobald ein Bürgermeister die für seine Gemeinde bestimmte Anzahl Exemplare empfangen hat, lässt er sie durch Boten in die Häuser vertheilen, bespricht sich aber vor Allem mit dem Herrn Pfarrer, — damit dieser am nächsten Sonntage nicht allein den Aufruf und die Verordnung verlese, sondern auch einige Worte der Ermahnung, der Liebe und christlichen Barmherzigkeit zu seinen Beichtkindern über diesen Gegenstand spreche.
- Gleich am folgenden Montage beginnt die Haus-Collecte.
Die Herren Bürgermeister werden dieselbe so veranstalten, dass die Gemeinde-Räthe und die Geistlichen mit einigen angesehenen Einwohnern — von Haus zu Haus gehen. - Jede Gabe wird in Gegenwart des Gebers aufgeschrieben.
- Sobald eine bedeutende Summe eingegangen ist, wird sie zur Disposition der Unterslützungs-Commission — gestellt.
Aachen, den 19. August 1814." 2
Die Sammlung, die im gesamten Generalgouvernement durchgeführt wurde brachte die beträchtliche Summe von 69.808,24 Francs ein. Auch aus England gingen Unterstützungsgelder ein, die zum Bau der oben bereits erwähnten großen Notscheune verwandt wurden.
Im Journal des Nieder- und Mittel-Rheins wurde regelmäßig zwischen 1814 und 1816 über die Kollekte berichtet und die aus den einzelnen Orten eingegangenen Spenden veröffentlicht: 4
Derweil unterzeichnete der preußische König Friedrich Wilhelm III. am 28.August 1814 folgende Kabinett-Ordre mit konkretisierten Bestimmungen für den Wiederaufbau Büderichs an der Chaussee nach Geldern, die sich im wesentlichen auf Festlegungen des Generalinspekteurs Johann Georg Gustav von Rauch stützten, der auf der Rückreise von London auch die Festung Wesel inspizierte:
Sr. Majestät des Königs haben mittelst einer an den General-Inspekteur der Festung, Generalmajor v. Rauch, unterm 28. August cr. erlassenen Cabinets-Ordre zu befehlen geruht, daß der Abbau der Stadt Büderich ohne Aufschub bewirkt werden soll, damit die Einwohner noch vor gänzlichem Eintritt des Winters ein Obdach erhalten, und zur Wegräumung des Schuttes ihrer demolirten Wohnungen schreiten können, welche in ihrer jetzigen Beschaffenheit der Festung Wesels höchst nachtheilig sind. Zu dem Ende sind für den Wiederaufbau der neuen Stadt folgende Grundsätze allerhöchst festgestellt.
Da das Grundeigenthum der Stadt Büderich sich längs der nach Geldern führenden Chaussee erstreckt, so soll den Einwohnern ein, mit dem Flächeninhalt der demolirten Stadt, gleicher Raum auf die in der heute abschriftlich mitgetheilten Cabinets-Ordre vom 27. August cr. bestimmten Entfernung von den Werken des Forts, zum Wiederaufbau des Ortes überwiesen werden. Die Besitzer des Grund-Eigenthums, welches dazu verwendet wird, werden nach Maßgabe des Verlustes, den sie erleiden, entweder durch baare Geldsummen, oder durch Ueberweisung und Anrechnung anderer Grundstücke, die durch Verlegung der Stadt disponible werden möchten, entschädigt.
Jeder Eigenthümer erhält wieder so viel Flächenraum als derselbe früher in der demolirten Stadt besessen hat. Die Regierung vergütigt den Einwohnern näher auszumittelnde Baugelder zum Wiederaufbau ihrer Wohnungen, oder kommt ihnen mit Baumaterialien zu Hülfe. Der neue Ort wird in der bestimmten Entfernung von 17[00] bis 1800 Schritt von der Crête des bedeckten Weges des Fort Napoleon, zu beyden Seiten der nach Geldern führenden großen Chaussee angelegt, und die Richtungslinien der neuen Straßen vom Ingenieur des Platzes Wesel, Major Markoff, angegeben, wobey zugleich bestimmt wird, daß der Ort mit keiner starken Umfassungsmauer, oder mit tiefen Gräben und Wällen umgeben werden darf.5 6
Vor Ort war man jedoch schon weiter. Die Vermessungsarbeiten waren auf Veranlassung des Militärs schon durchgeführt worden, jedoch sah der Plan den Bau Neu-Büderichs nur westlich der Chaussee vor, da das Gelände östlich der Landstraße niedriger gelegen war und somit nicht genügend vor Hochwasser geschützt war. Für eine Anfüllung des Geländes fehlten sowohl die Zeit als auch die Mittel. Am 26. Oktober 1814 stimmte das Kriegsministerium einer Änderung der Pläne zu. Die Unterstützungskommission wurde am 1. November 1814 vom Festungskommandanten darüber unterrichtet.
Eine kurzfristige Verlegung der Nothütten scheiterte jedoch alleine schon daran, dass das vorgesehene Gelände zum Schutz vor Grundwasser und Überschwemmungen erhöht werden musste. Vorgesehen war zunächst eine Erhöhung von 10 Fuß.6
Der im Winter 1813/1814 aufgrund von Eisgang teilweise gebrochene Büdericher Banndeich wurde ab September 1814 auf einer Länge von 800 m auf Anordnung von Generalgouverneur Sack verlegt und repariert. Betreut wurden die Arbeiten Johann Martin Schauß, der als Leiter der Aachener Bauabteilung auch für den Bau Neubüderichs zuständig war.6
Die Unterstützungskommission erreichte, dass die Fläche für den neuen Ort auf 14 ha erweitert wurde, was in etwa einer Verdopplung des bisherigen Stadtgebietes darstellte. In der Konsequenz wurde die zusätzliche Fläche gleichmäßig verteilt, so dass jede Hausstätte um etwa 110 m² größer wurde als in Alt-Büderich.
Unmittelbar vor der Zerstörung Alt-Büderichs wurde eine Begehung durchgeführt und die einzelnen immobilien taxiert. Auch nach französischem Recht stand den Eigentümern eine Entschädigung zu. Ein angefertigtes Protokoll wurde auch der Kommune übergeben, aus diesem ging jedoch nicht hervor, was im Detail bewertet wurde. Die ermittelte Schadenssumme belief sich auf 799.492,21 Francs.
Bürgermeister Terlinden beauftragte später zwei der damals beteiligten Bausachverständigen mit einer erneuten Schätzung der bereits zerstörten Stadt. Im Ergebnis wurden die Forderungen an Frankreich auf 1.089.132.21 Francs gemäß dem neuen Abschätzprotokoll vom 8. Juni 1814 erhöht. Die Differenz in Höhe von 289.640,- Francs wurde damit begründet, dass es den Büderichern nicht möglich war Materialien wie Dachpfannen, Fenster, Türen usw. in Sicherheit zu bringen und für die neuen Häuser zu nutzen, wie es zuvor zugesichert worden sein soll.
In beiden Schätzungen waren der Verlust der städtischen Infrastruktur bestehend aus Stadtmauern, gepflasterte Straßen und einer Entwässerung nicht enthalten.
Von französischer Seite wurden Beweise verlangt, dass das französische Militär die Büdericher an der Rettung ihrer Habe gehindert wurden, diese konnten nicht beigebracht werden. Statt dessen wurde der Wert der Abbruch-Materialien abgezogen, der für den Ausbau des nun preußischen Forts Blücher genutzt wurde.
Bei den Verhandlungen zwischen der Hauptliquidationskommission in Berlin und der Französischen Liquidationskommission in Paris wurde schließlich eine Entschädigungssumme von 631.570,00 Francs festgesetzt, von der am 31. August 1817 498.701,47 Francs ausgezahlt wurden.1 6 7
Darüber hinaus wurde in Verhandlungen mit Frankreich eine Entschädigung für öffentliche Gebäude erzielt, von den vereinbarten 107.540 Francs wurden 84.000,20 Francs auch ausgezahlt. Nicht entschädigt wurde der enorme Verlust durch Notverkäufe an Mobiliar, Vieh, Feldfrüchten im Dezember 1813, der im August 1815 mit 599.191,66 Francs beziffert wurde.6
Im Oktober 1814 erstellte der aus Wesel stammende Vermesser Christoph Caspar Weinhardt auf Veranlassung des Platzmajors Johann Ludwig Markhoff den regelmäßigen aus 12 Baublöcken bestehenden Grundriss Neu-Büderichs. Der Plan selbst bestand aus zwölf mit breiten Straßen unterteilten Baublöcken, die zusammen ein auf die Festung ausgerichtetes Trapez bildeten.1 6 Zudem nahm Weinhardt auch eine erste Parzellierung der Grundstücke vor, die aber im weiteren Verlauf der Planungen deutlich überarbeitet wurde.
Im Ergebnis wurde die Südseite an der heutigen Parkstraße mit 237,2 m um 10,9 m breiter, als die Nordseite am heutigen Kesselbruck, wobei von Grundstückseckpunkt zu Grundstücksendpunkt gemessen und die Breite der Weseler Straße und der heutigen Sebastianusstraße nicht inbegriffen sind. Die Länge des neuen Ortes beträgt ohne Berücksichtigung der Straßenbreiten von Kesselbruck und Parkstraße 518,7 m.
Am 1. März 1815 kehrte Napoleon von der Insel Elba zurück nach Frankreich und gelang kurzfristig wieder an die Macht. Durch diese Ereignisse aufgeschreckt entschieden sich Preußen, Österreich, Russland und Großbritannien auf dem Wiener Kongress zum militärischen Eingreifen und erneuerten am 25. März 1815 ihr Bündnis.
Für die Büdericher bedeutete das, dass sie ihre Nothütten zu verlassen hätten. Der Abriss der 214 Hütten wurde auf Befehl des neuen Festungskommandanten Ernst Heinrich Wilhelm von Perbandt umgehend von den in Wesel stationierten preußischen Soldaten eingeleitet. Den Bewohnern wurde nun der Ort, an dem das neue Büderich entstehen sollte, zum Bau ihrer Häuser angewiesen. Dort errichteten sie zunächst erneut Nothütten. Die hölzerne kath. Notkirche wurde nach Neu-Büderich auf das für die Kaplanei vorgesehene Grundstück versetzt. Auch für die reformierte Gemeinde wurde eine schlichte hölzerne Notkirche errichtet. Einzelne Nothütten standen aber wohl noch bis 1816 in Alt-Büderich.1 2 6
Der Überlieferung nach sollen bei der Zuteilung der Grundstücke alte Nachbarschaften aus Alt-Büderich weitgehend erhalten worden sein. Sieht man sich den Plan Weinhardts zur Aufteilung der Grundstücke an, in dem die der Begehung entsprechenden fortlaufenden franz. Hausnummern Alt-Büderichs eingetragen sind, so wird deutlich, dass diese Systematik für ihn kein Planungsprinzip war.
Vielmehr fand der Vorschlag des Leiters der Aachener Bauabteilung Johann Martin Schauß' Berücksichtigung, nach der die vorzüglichsten Bauplätze [...] an der Landstraße von Venlo nach Wesel und am Markt denen zustehe, die das erste Recht haben. Darüber hinaus sollte um die attraktiven Eckhäuser und die übrigen privaten Grundstücke gelost werden. Verschiedene ehemals zusammliegende Liegenschaften eines Besitzers wurden aber offenbar nach Möglichkeit wieder zusammengelegt.6
Vergleicht man jedoch die auf dem Urriss der Gemarkung Büderich von 1822 verzeichneten Namen der Grundstückseigentümer mit den Namen der mit dem Entwurf Weinhardts korrespondierenden Liste, so erkennt man erhebliche Unterschiede. Otto Friedrich Wilhelm von Gloeden, dem 1815 die weitere Planung und die Bauüberwachung Neu-Büderichs vom Generalgouvernement übertragen wurde, nahm folglich eine in weiten Teilen andere Grundstücksverteilung vor, bei der möglicherweise auch Wünsche der Bürgerschaft berücksichtigt wurden.
Otto Friedrich Wilhelm von Gloeden stammte aus Ruhrort und unterstand als Landbauinspektor einem Regierungs- und Baurat. Mit dem Bau Neu-Büderich wurde ihm die Realisierung der ersten einheitlichen städteplanerischen Neuplanung im 19. Jahrhundert am Niederrhein übertragen.
Oberste Aufsichtsbehörde für Bausachen war die königliche Oberbaudeputation in Berlin, deren Leiter bis 1841 Karl Friedrich Schinkel war. Dieser hatte einen beträchtlichen Einfluss auf die Baubeamten und Baugestaltung. So gab Schinkel 1819–1840 eine Reihe architektonischer Entwürfe als Richtlinien heraus, die Otto von Gloeden ebenso wie den 1815 vom preußischen Regierungs- und Baurat Adolph von Vagedes angefertigten Entwurf einer Landesbauordnung in seine Überlegungen einbeziehen musste. Der Ort Neu-Büderich wurde im Wesentlichen in den Jahren 1815 bis 1822 als einheitliche städtebauliche Anlage geplant und bis auf die Straßen- und Entwässerungsarbeiten erstellt.
Sämtliche Bauten von Gloedens wurden als reine klassizistische Bauten im Geiste der Berliner Schule errichtet, die sich trotz ihrer Sparsamkeit und einfachen Baukuben durch ausgeglichene Proportionen auszeichneten.7
Da das Gelände des neuen Ortes im Überschwemmungsgebiet des Rheines lag, waren der Ausbau des Rheindeiches sowie die Anhöhung der Landstraße Wesel-Geldern und des gesamten Siedlungsgeländes erforderlich. Die von Schauß geforderte Erhöhung des Geländes um acht Fuß, also rund 2,50 m, wurden jedoch von vornherein verworfen.
Die Gesamtkosten, bestehend aus Kosten für die Errichtung der Gebäude, die Anhöhung der Straßen, der Terrainerhöhung und das Anlegen von Brunnen und Entwässerungsgräben, errechnete er zu 1.580.000 Francs bzw. 438.888 Taler und 22 Groschen. Der Kostenansatz wurde jedoch von der Regierung in Kleve reduziert, so dass von Gloeden das Gelände lediglich um 50 cm erhöhen lassen konnte. Zusätzlich setzte er die Sockelhöhe der Gebäude auf 50 cm fest. Auch setzte er insgesamt auf eine sparsamere Bauart.6 7
Den Bürgern, deren Hauswert auf über 3000 Reichstaler geschätzt worden war, stellte die Regierung die Gelder zur eigenen Verwendung zur Verfügung, so dass sie in Eigenregie bauen konnten. Zu dieser Personengruppe zählten die 31 Familien der ersten Klasse, die über genügend eigene Mittel verfügten sowie einige Familien, die der zweiten Klasse zugeordnet wurden. Insgesamt wurden 51 Familien der zweiten Klasse zugerechnet, die meisten von ihnen konnten nicht auf eigene Mittel zurückgreifen und waren auf die Liquidationsgelder angewiesen. Die übrigen 67 Familien waren auf Staatshilfen und Spenden angewiesen, da sie weder über eigene Mittel noch auf ausreichende Ansprüche auf Mittel der Liquidation Anspruch hatten.
Insgesamt bauten 45 Familien in Eigenregie, die Wohnhäuser der übrigen 111 Familien wurden von Otto von Gloeden auf Kosten der Retablissementkasse erstellt. Er baute somit neben den öffentlichen und kirchlichen Bauten nur wenige Häuser der 1. Klasse, aber die meisten Häuser der zweiten und alle Häuser der dritten Klasse.6
Verwaltungstechnisch wurden 1816 Neu-Büderich, Ginderich, Werrich, Perrich, Gest, Winkeling und Poll zur Bürgermeisterei Büderich zusammengeschlossen. Die Bürgermeisterei gehörte zum Landkreis Rheinberg und zum Regierungsbezirk Cleve.
Regierungspräsident Friedrich August von Erdmannsdorff besuchte am 3. Oktober 1817 Büderich und schrieb dazu folgenden Bericht:
- Mein erstes Geschäft war es daher den Gemeinderath zu versammeln, ihn mit den Grundsätzen, nach welchem das Retablissement Büderichs wieder aufgebaut werden soll, bekannt zu machen. Übrigens war man allgemein mit den Grundsätzen zufrieden, dass jeder sein Bau und Bedürfnis nach besten Kräften selbst bestreiten müsse und nur da, wo er nach dem Urtheil der Experten nicht im Stand sey, nothdürftig Hülfe vom Staat zu erwarten sey.
- Der Gemeinde-Rath benannte nun hierauf 4 Männer, welche - nicht ohne Besorgnis - wegen der Wichtigkeit der Sache, sich dem Geschäft nach bestem Wissen und Gewissen zu unterziehen versprachen.
- Haben die 4 Experten mittels Handgelöbnis an Eidesstatt und mit dem Versprechen ihre Anstrengungen erforderlichenfalls vor Gericht eidlich zu erhörten, sich anheischig gemacht, das ihnen aufgetragene Geschäft nach bestem Wissen und Gewissen zu verrichten, und ist demnächst zur Classifikation geschritten worden, zu welchem Geschäft ich Bau-Inspektor von Gloeden als ein dabei sehr sachkundiges und sehr wesentliches Mitglied, und den Bürgermeister Terlinden adhibiert habe, Ehe ich weitergehe, bemerke ich, dass der Bau-Inspektor eine ganz detaillierte Kenntnis der Büdericher Verhältnisse besitzt, volles Zutrauen bei den Einwohnern geniesst, und seine Gegenwart um deswillen auch stets wesentlich nothwendig war, weil in der 2. und 3. Classe sein früherer Bauschlag, nach neuerem Urtheil der Experten abgeändert und vermindert werden musste.
In der Folge drängte die Bezirksregierung in Kleve noch mehr auf eine sparsame Bauweise.7
Um Kosten zu sparen wurden große gemeinschaftliche Ziegeleien östlich der Landstraße angelegt. Der heutige Straßenname Am Tichelouwen (Am Ziegelofen) deutet darauf hin. Hierfür wurde ein Vertrag mit dem aus Lüttich kommenden Ziegelmeister Johannes Gilles geschlossen, der pro Jahr 1,2 bis 1,5 Mio. Ziegelsteine herstellte. Die Anlage der Ziegelöfen wurde mit Kollektengeldern finanziert. Bis 1820 wurden über 9,5 Mio Ziegel produziert. Der Ziegelmeister erhielt für 1000 Steine 4 taler und 8 Stüber.
200.000 überschüssigen Steine wurden zu Gunsten der Retablissementkasse an das Militär zum Ausbau der Festung verkauft.
Zudem wurden noch brauchbare Steine aus Alt-Büderich verwand. Die übrigen Baumaterialen wurden gemeinsam bezogen.6 7
Die Geländeerhöhung wurde im Wesentlichen durch Hand- und Spanndienste der Büdericher erbracht, ansonsten wäre für den Bau der Häuser und Scheunen nicht genug Geld vorhanden gewesen.
Zunächst wurden einige Scheunen gebaut, die zunächst auch als Behausungen dienten. Das erste im Jahr 1816 fertiggestellte Wohnhaus war das katholische Pfarrhaus. Im Jahr 1817 folgte das evangelische Pfarrhaus. Die katholische Schule und Küsterei wurden 1819 errichtet. Bis 1820 konnten die meisten Wohnhäuser fertiggestellt werden.
Die Wohnhäuser unterschieden sich weniger stilistische denn aufgrund der jeweiligen Klasse und der jeweiligen Grundstücksbreiten.6
Otto von Gloeden meldete am 21. Februar 1820 der Bezirksregierung in Kleve den aktuellen Stand der Arbeiten:
Mit Ablauf des Vorjahres sind die Baulichkeiten von Neu-Büderich grösstenteils vollendet worden, sodass in diesem Jahr zur Vollendung nur noch folgende Anlagen zu bewirken bleiben:
- Von den im vorigen Jahr aufgeführten Bauten sind im inneren Bau noch 8 Wohnungen zu vollenden.
- Aus der 2. Classe ist noch ein Wohn- und Wirtschaftsgebäude zu erbauen, da indess der Eigenthümer mehr Ansprüche macht als billigerweise zu befriedigen sind, so werde ich denselben veranlassen, dass er seine Entschädigungs-Summe selbst zum Bau verwendet.
- Die katholische und die evangelische Kirche, wovon die 1te die Fundament-Höhe schon erreicht hat.
- Die Wohnung für einen Kapellan.
- Das Armen- und Rath-Haus.
- Die Anhöhung der Strassen und Chaussee.7
Während die der katholischen Gemeinde zustehenden Gelder aufgrund der Größe der Gemeinde vor allem für die entsprechend große Kirche verwand wurden, erhielt die deutlich kleinere reformierte Gemeinde eine kleinere Kirche, die als Kapelle kritisiert wurde, aber dafür ein recht großes Schulgebäude und ein stattliches Pfarrhaus. Beide Schulgebäude enthielten auch eine Lehrerwohnung.6
Auf die Pläne zum Bau der beiden Kirchen nahm Karl Friedrich Schinkel persönlich großen Einfluss.
Pfarrer Rechtmann setzte sich während der Planungen erfolgreich dafür ein, dass die katholische Kirche Rundbogenfenster erhielt. Die Grundsteinlegung der Kirche sollte er jedoch nicht mehr erleben, er starb mit 72 Jahren am 26. Januar 1818.
Am 30. September fand die feierliche Einsegnung des Grundsteins durch den bischöflichen Kommisar Spenrath aus Xanten unter Anwesenheit zahlreicher Würdenträger statt:
Dabei waren auch anwesend die Pfarrer Holland von Alpen, Schilden von Borth, Breicken von Ginderich, Wilhelmi aus Hirten, Schilling aus Wesel mit seinen beiden Gaplänen und Pater Vicarius Alzweiler von der Karthause auf der Grafen-Insel. Auch der Landrath von der Rühr ehrte diese Feier durch seine Gegenwart. Weiter werden als Theilnehmer daran genannt der Baumeister von Glöden, der Bürgermeister Terlinden und die Kirchen-Vorstands-Mitglieder Wilhelm Aventroth, Bernard Brentjes, Theodor Halswick und Reinhard van Husen.
Die beiden Glocken der Kirche Alt-Büderichs, die in der Zwischenzeit in Xanten eingelagert waren, wurden zwischen der katholischen und der reformierten Gemeinde ausgelost. Die katholische Gemeinde erhielt die größere mit einem Gewicht von 2600 Pfund. Diese wurde jedoch zerschlagen und eingeschmolzen. Für 300 Taler, die von der Gemeinde gespendet wurden, wurden daraus zwei neue Glocken gegossen, die zusammen ein Gewicht von 2414 Pfund hatten. Geweiht wurden die Glocken am 15. Juli 1821.
Nur zwei Monate später wurde dann die fertiggestellte Kirche St. Peter am 11. September 1821 geweiht.2
Am 26. September 1820 wurde der Grundstein für die evangelische Kirche gelegt. Bereits zwei Jahre später wurde sie fertiggestellt und am 3. November 1822 eingeweiht.
1822 wurden neben dem Rathaus auch zwei weitere öffentliche Gebäude errichtet, das Armenhaus an der Feldstraße (heute Sebastianusstraße) und das Stadtbotenhaus an der Friedrichstraße (heute Pastor-Bergmann-Straße).
Darüber hinaus wurden zehn öffentliche Pumpen errichtet.
Bis zu diesem Zeitpunkt diente das Wohnhaus des Bürgermeisters Terlinden in Gest als Sitz der Gemeindeverwaltung.
Damit war die Errichtung Neu-Büderichs im Wesentlichen abgeschlossen. Einige Bürger der ersten Klasse, hatten jedoch ihre Häuser noch nicht in Angriff genommen sich aber mündlich zur Bebauung ihrer Hofstätten verpflichtet.
Darüber hinaus wurden eine ganze Reihe von baulichen Erweiterungen, oftmals Scheunen mit Toreinfahrten, erst in den folgenden Jahren errichtet, wie sich aus dem Urkataster von 1822 schließen lässt.6
Das Geld für die Kaplanei wurde erst 1824 bereitgestellt, jedoch wurde diese nicht an dem dafür vorgesehenen Platz errichtet, da dieser zu dicht an der Kirche läge und die Mittel nicht reichten. Stattdessen kaufte der Kirchenvorstand 1829 ein zweigeschossiges Haus an der Hauptstraße von Everhard Rahms.2
Nach einer Aufstellung aus dem Jahr 1833 über die Verwendung der Gelder wird deutlich, dass 125.058 Reichstaler für den Bau von Wohnhäusern verwand wurden, 75.184 Reichstaler wurden direkt an Bauberechtigte ausgezahlt, für öffentliche Gebäude wurden 47.578 Reichstaler aufgewand.1
Letztlich erhielt jeder rund 80% seiner Ansprüche auf die festgesetzten Liquidationsgelder.6
Die noch unbefestigten Straßen Neu-Büderichs erhielten ihre Namen im Januar 1820. Dabei wurde auf einige Straßennamen Alt-Büderichs zurückgegriffen, andere waren geprägt durch die nun preußische Herrschaft.
alter Name von 1820 |
Bedeutung bzw. erinnert an |
neuer Name seit 1975 |
Bedeutung bzw. erinnert an |
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Ritterstraße | aus Alt-Büderich übernommen | Kesselbruck | aus Alt-Büderich übernommen |
Blücherstraße | von Blücher (preuß. General) |
Brauerstraße | Brauerei Hardering |
Marktstraße / Markt | aus Alt-Büderich übernommen | Marktstraße / Markt | Marktplatz |
Bülowstraße | Bülow (preuß. General) |
Raiffeisenstraße | Raiffeisen (Genossenschaftsgründer ) |
Mühlenstraße | aus Alt-Büderich übernommen | Parkstraße | Park des Altenheims |
Feldstraße | aus Alt-Büderich übernommen | Sebastianusstraße | Sebastianusbruderschaft |
Luisenstraße (Louisenstraße) | Vorname aus dem preuß. Herrscherhaus | Pastor-Wolf-Straße | Wilhelm Wolf (ev. Pastor in Büderich) |
Friedrichstraße | Vorname aus dem preuß. Herrscherhaus | Pastor-Bergmann-Straße | Theodor Bergmann (kath. Pastor in Büderich) |
Weseler Straße (Chaussee) | Landstraße von Venlo nach Wesel | Weseler Straße |
1823 wurden der Kreis Rheinberg und der Regierungsbezirk Cleve aufgelöst, die Bürgermeisterei Büderich gehörte nun zum Kreis Geldern und zum Regierungsbezirk Düsseldorf.
1840 verkaufte die katholische Gemeinde das ursprünglich für die Kaplanei vorgesehene freie Grundstück zwischen der kath. Kirche und der Schule für 145 Taler an die Zivil-Gemeinde, um mit dem Erlös die Schule um eine zweite Klasse zu erweitern.
Schon zu dieser Zeit gab es in der kath. Gemeinde den Wunsch die Kirche um eine Apsis zu erweitern. Mit dem Verkauf des freien Grundstücks rückte der Wunsch in weite Ferne.
Etwa zur gleichen Zeit wurden die beiden beim Beiern gesprungenen Glocken der kath. Kirche zu drei neuen Glocken umgegossen. Auch die aufgrund von Feuchtigkeit heruntergekommene Plisterdecke sowie das Dach der Kirche mussten erneuert werden.2
Die schon von v. Gloeden vorgesehenen Straßenarbeiten wurden, wie auch die Entwässerungsarbeiten, aus Geldmangel erst in den Jahren 1840 bis 1844 durchgeführt.
Mehrfach reichten der Bürgermeister und der Gemeinderat Bittschriften ein, in der die desolate Lage geschildert wurden. So bat Bürgermeister Ludwig Evertz mit einem Schreiben vom 24. Oktober 1833 aus Anlass des bevorstehenden Besuches des Kronprinzen am Niederrhein in Berlin um finanzielle und technische Hilfe für den Ausbau der Strassen sowie um Umwallung der Stadt zum Schutz vor Hochwasser.7
In der Folge wurde längs der Landstraße ein vier Fuß hoher Wall aufgeschüttet, eine vollständige Umwallung wurde abgelehnt. Bei den Hochwassern 1920 und 1926 zeigte sich, dass der Wall seinen Zweck nicht erfüllte, das Hochwasser lief von anderen Seiten in den Ort. In der Folge wurde der nutzlose Wall abgetragen, an seiner Stelle wurde eine doppelreihige Platanenallee gepflanzt.
Mit der Planung der Entwässerung und der Befestigung begann im Auftrag der Bezirksregierung Düsseldorf Kreisbaumeister Westermann im April 1834. Die Pläne wurden aus Kostengründen mehrfach revidiert, so dass sich die Umsetzung noch einige Jahre hinzog.
Im Februar 1837 besuchte der neue Regierungspräsident Adolph von Spiegel-Borlinghausen Büderich und schilderte sein Entsetzen über den Zustand in einem Schreiben vom 26. März 1837 an Regierungsrat Viebahn:
Bei Gelegenheit meiner letzten Reise hatte ich Veranlassung, die höchst traurige Beschaffenheit der dortigen, ganz in Wasser und Koth liegenden Strassen in Augenschein zu nehmen und mich von der Nothwenaigkeit einer baldigen und kräftigen Hülfe zu überzeugen.
Nach den Akten ist das vom Bau-Condukteur Westermann geforderte Projekt, die Strassen-Anlage und Terrain-Erhöhung von Büderich betreffend, endlich im November vorigen Jahres eingereicht worden und liegt Euer Hochwohlgeboren seitdem vor. Indem ich nun die Förderung dieser Angelegenheit so wünschenswerth als nothwendig halte, ersuche ich Euer Hochwohlgeboren sich mit mir über den bisherigen Verlauf der Sache, der mir noch nicht ganz klar geworden ist, sowie über die Mittel gefällig zu benehmen, durch welche diese höchst unangenehme, der preussischen Verwaltung zur wahren Schmach gereichende, so unendlich lang verzögerte Angelegenheit nunmehr so schnell als möglich geregelt werden könne.
Noch immer kam aber keine Bewegung in die Sache, so dass sich nach einem erneuten Besuch in Büderich der Regierungspräsident wie folgt äußerte:
Es gibt wohl nichts Auffallenderes als in dem Städtchen Neu-Büderich statt der Strassen nur Cloake oder in den besseren Theilen des Ortes grosse Teiche zu finden, an deren Ufer schmale Fusssteige zu den Häusern führen. Auf mein Befragen erfuhr ich, dass dieser Übelstand davon herrühre, dass die Entwässerung des Ortes durch die Retablissements-Commission habe bewirkt werden sollen, jedoch seit Jahren nichts mehr zu diesem Zweck,
geschehen wäre, weil zunächst eine Revision des Kassen-Zustandes eingeleitet worden sey.
Eine königlich Hochlöbliche Regierung kann ich nicht dringend genug auffordern, dem vorangedeutetem Übelstand Ihre Aufmerksamkeit gefälligst zuwenden, und die unverzügliche Wiederaufnahme und Ausführung der Entwässerung des Ortes veranlassen zu wollen.
Auf die Erhöhung und sucsessive Befestigung der Strassen wird dann späterhin Bedacht genommen werden können. Vorläufig erfordert es das Interesse der Gesundheits-Polizei, dem jetzigen Zustande der Dinge sobald als möglich Abhülfe zu verschaffen.7
Schließlich wandten sich die Büdericher am 25. Januar 1840 mit einer Petition an den König und baten um technische und finanzielle Hilfe. Auch die Bezirksregierung bat in Berlin um finanzielle Unterstützung.
In der Folge kündigte am 30. September 1840 ein Schreiben ein königliches Gnadengeschenk von 3000 Taler für die Strassenarbeiten von Neu-Büderich an und befahl den sofortigen Beginn der Arbeiten:
Die Königliche Regierung hat daher die Anordnung zu treffen, dass mit dieser Unterstützung und mit Hülfe der ohne zu grosse Störung des Nahrungsstandes der Einwohner zulässigen Hand- und Spanndienste die Arbeiten
begonnen und so viel als möglich gefördert werden, demnächst aber die im Bericht bezeichneten Erörterungen anzustellen und das Resultat anzuzeigen. Dass hiernach noch die Möglichkeit einer weiteren Unterstützung in Aussicht gestellt ist, muss zunächst der Gemeinde verschwiegen bleiben, um nicht Hoffnungen zu erregen, welche täuschen könnten.
Die Bauarbeiten wurden nun in der Tag begonnen und bis 1844 abgeschlossen. Etwässert wurde über offene Abflussrinnen an den Straßenrändern. Das Wasser wurde in südwestliche Richtung zum Landwehrgraben nach Gest abgeführt. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 9870 Taler.
Nachdem bereits 1840 3000 Taler aus der Staatskasse zur Verfügung gestellt wurden, erhielt die Gemeinde 1842 nochmals eine staatliche Beihilfe von 3000 Talern, 2930 Taler brachte der Verkauf der Ziegeleigründe ein, die übrigen Gelder stammten aus Steuereinnahmen der Gemeinde und einem Darlehen.
1843 wurde die Mitte des Marktplatzes mit Baumreihen bepflanzt. Zunächst sollte eine Reihe aus Maulbeerbäumen und eine aus Kugelakazien bepflanzt werden, dann aber wurden Platanen gewählt. Die Mittel zum Kauf der Bäume wurden durch die Bewohner gespendet.7
Die Lage muss sich durch die erfolgten Arbeiten deutlich gebessert haben. 1846 wurde Bürgermeister Ludwig Evertz für seine langjährigen Leistungen besonders geehrt:
Dechant Schoofs, der erst 1863 als Pfarrer nach Büderich kam, lobt in seinem Buch 1880, in dem er selten mit Kritik sparte, den Aufbau mit den Worten: Die Bewohner [erhielten...] wirklich prächtige Häuser und die neue Stadt ein freundliches Ansehen.
1849 legte Evertz, der nicht nur Bürgermeister von Büderich, sondern auchvon Veen war, seine Ämter nach 21 Jahren nieder und wanderte nach Wisconsin aus, einem Haupteinwanderungsgebiet der Niederrheiner.
Ein Zusammenhang mit der kurz zuvor gescheiterten Deutschen Revolution von 1848/49 kann nur vermutet werden.
1850 wurde Neu-Büderich offiziell in Büderich umbenannt, am 31. Mai 1850 beschlossen nach mehrjährigen Verhandlungen zudem die Gemeinderäte von Büderich und Ginderich in einer gemeinsamen Sitzung unter Leitung des Bürgermeistereiverwalters Heinrich Aventroth einstimmig den Zusammenschluss der beiden Gemeinden:
Die Gemeinden Büderich und Ginderich sollen von jetzt an auf die Dauer von fünf Jahren zu einer einzigen gemeinde vereinigt werden.
1857 kam Büderich zum neugibildeten Kreis Moers.8
Am 22. November 1866 wurde das Marienkrankenhaus als Filiale der Armen Dienstmägde Christi aus Dernbach eingeweiht. Gestiftet wurde es vom kath. Pfarrer Johann Heinrich Schoofs, wobei der Bau durch die Zivilgemeinde sowie zahlreiche Spender unterstützt wurde. Fortan wirkten die Ordensschwestern in Büderich und darüber hinaus in der Krankenpflege in der Näh- und Strickschule sowie in der Verwahrschule, die man heute als Kindergarten bezeichnen würde.9
Marcus Abram
Der nächste Artikel stellt die Ereignisse in Büderich während der Kaiserzeit von 1870 bis 1918 dar.
Quellen:
- Jörg Lorenz: Dem Erdboden gleichgemacht. Zeugnisse zur Geschichte der alten Stadt Büderich. Weseler Museumsschriften Band 25. Rheinland-Verlag, Wesel, 1989, ISBN 3-7927-1119-2 S. 71-73
- Johann Heinrich Schoofs: Geschichte der katholischen Gemeinde in Büderich, von den Tagen der Reformation bis auf die neueste Zeit, nach den Acten des Pfarrarchivs und des Dekanatsarchivs Xanten, Wesel, 1880 S. 177-186
- Willi Mertens: Aus Büderichs vergangenen Tagen - Ein heimatkundlicher Beitrag zum 500jährigen Jubiläum des St. Sebastianus-Bürger-Schützenvereins Büderich, Kreis Moers; Büderich, 1926, S. 44-55
- Journal des Nieder- und Mittel-Rheins: Journal des Nieder- und Mittel-Rheins / Journal du Bas-Rhin et du Rhin-Moyen, Aachen, 1814-1816
- Hermann Heimhalt: Die Blockade der Festung Wesel vom November 1813 bis 10. Mai 1814, Wesel, 1895 S. 27, 28
- Martin Wilhelm Roelen, Margret Wensky: Untergang und Neubeginn - vom alten und neuen Büderich, Selbstverlag des Stadtarchiv Wesels, 2013, ISBN 978-3-924380-30-4 S. 73-111, 112-116, 117-135
- Waltraud Fehlemann: Der Landbauinspektor Otto von Gloeden (1788–1840). Seine Bedeutung für den Wiederaufbau von Büderich, Kreis Moers, und für Bauten im nördlichen Rheinland. Dissertation. Technische Hochschule Aachen, 1971.
- Martin Wilhelm Roelen [Hrsg.]: Römer, Wallfahrt, Landwirtschaft. Zwei Jahrtausende Gindericher Geschichte. Studien und Quellen zur Geschichte von Wesel, 23. Selbstverlag des Stadtarchivs Wesel, 2000, ISBN 3-924380-18-X; S. 133, 134
- Ilse Michiels: 100 Jahre Büdericher Altersheim IN Heimat-Kalender Kreis Moers, 1968
- Joachim Wolff, Eginhard Brandt, Eugen Aaldering: Bilder einer Kirche - Die evangelische Kirche Büderich. Herausgegen von der Evangelischen Kirchengemeinde Büderich, Wesel, 2001, ISBN 3-9802870-25
- Margret Wensky: Büderich, Rheinischer Städteatlas, Lieferung VIII Nr. 43, Rheinland-Verlag, Köln/Bonn, 1985, ISBN 978-3-7927-0828-6