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Zeitreise Büderich

50 v. Chr. - 450 n. Chr. - 500 Jahre Römische Herrschaft am Niederrhein

Im ersten vorchristlichen Jahrhundert siedelten in den sumpfigen, bewaldeten Niederungen des Niederrheins, der Niers, Maas, Nete, Schelde und Leie die keltisch-germanischen Menapier. Südlich von ihnen siedelte der keltische oder keltisch-germanische Stamm der Eburonen, nördlich der germanische Stamm der Bataver.

Um 55 v. Chr.  verließen die rechtsrheinisch beheimateten Usipeter und Tenkterer ihr angestammtes Siedlungsgebiet, da sie von ihren östlichen Nachbarn, den Sueben, bedrängt wurden. Sie wanderten zur Rheinmündung, ein Teil bog nach Westen ab und zog die Maas hinauf. Dabei veranlassten sie auch die Menapier weiter westlich zu ziehen. Ihre rechtsrheinischen Siedlungsgebiete gaben sie dabei auf.

Gaius Iulius Caesar
Büste aus dem 1. Jh. n. Chr.
Antikensammlung Berlin
Quelle: Wikimedia

In dieser Zeit, genauer gesagt zwischen 58 v. Chr. und 51 v. Chr., eroberte Gaius Iulius Caesar Gallien und die linksrheinischen Gebiete Germaniens. Dabei wurden die Eburonen, die sich als besonders hartnäckiger Gegner erwiesen, weitgehend vernichtet oder als Sklaven verschleppt. Am Niederrhein trafen die Römer zudem auf die oben genannten germanischen Stämme der Usipeter und Tenkterer, die auf der Suche nach einem neuen Siedlungsgebiet waren. Sie baten die Römer im Bereich der der Mündung von Maas und Waal siedeln zu dürfen, wurden aber stattdessen regelrecht abgeschlachtet. Es wird geschätzt, dass bis zu 200.000 Menschen dabei ihr Leben ließen. Die Überlebenden mussten in ihre ursprünglichen rechtsrheinischen Siedlungsgebiete zurückkehren.1, 2, 3

Die Menapier entgingen wohl der Vernichtung, sie wurden aber im Laufe der folgenden Jahre immer weiter nach Westen abgedrängt, bis ihnen schließlich nur noch ein Gebiet westlich der Schelde verblieb.4

Caesar selbst schrieb in seinem sechsten Buch über den Gallischen Krieg (De Bello Gallico) folgendes zu diesem Stamm:
(6.5.4) »An die Grenzen des eburonischen Landes stieß das Gebiet der Menapier, das durch endlose Sümpfe und Waldgebiete geschützt war. Die Menapier hatten als einzige unter den Galliern nie Gesandte mit der Bitte um Frieden an Caesar geschickt. Caesar wußte, dass Ambiorix mit ihnen Gastfreundschaft verband. Auch hatte er erfahren, dass er über die Vermittlung der Treverer mit den Germanen einen Freundschaftsvertrag beschlossen hatte. (5) Er glaubte daher, zunächst muß man Ambiorix diese Hilfsquellen abschneiden, ehe man mit ihm selbst Krieg anfinge, damit er sich nicht bei den Menapiern verbergen könne oder notgedrungen mit den rechtsrheinischen Germanen einen Bund eingehe, wenn seine Situation verzweifelt würde.
(6) Nachdem Caesar diesen Plan entwickelt hatte, sandte er den Troß des gesamten Heeres zu Labienus ins Land der Treverer und wies zwei Legionen an, dorthin zu marschieren. Er selbst setzte sich mit fünf […] kampfbereiten Legionen gegen die Menapier in Marsch. (7) Jene stellten keinerlei Truppen auf, sondern vertrauten auf den Schutz, den ihr Land bot, flohen daher in die Wälder und Sümpfe und brachten ihre gesamte Habe dorthin. (6,6.1) Caesar teilte seine Truppen mit den Legaten C. Fabius und dem Quaestor M. Crassus, legte rasch Knüppelwege an und rückte so in drei Gruppen vor. Er setzte Gehöfte und Dörfer in Brand, wobei er eine große Zahl von Menschen und Vieh in seine Gewalt bekam. (2) Hierdurch sahen sich die Menapier gezwungen, Gesandte mit der Bitte um Frieden an ihn zu schicken. (3) Er nahm zwar ihre Geiseln an, betonte aber, er werde sie wie Feinde behandeln, wenn sie Ambiorix oder dessen Gesandte in ihrem Gebiet aufnahmen. (4) Hierauf ließ er den Atrebaten Commius mit einer Reiterabteilung als Beobachter in ihrem Land und zog gegen die Treverer.«5

Um die entstandenen Siedlungslücken zu schließen wurden unter Augustus ab 39/38 v. Chr. im Raum der heutigen Städte Köln, Bonn, Aachen und in Tal der Ahr ursprünglich rechtsrheinisch beheimatete Germanen vom Stamm der Ubier angesiedelt, weiter westlich in der Gegend der heutigen Stadt Lüttich Germanen vom Stamm der Tungerer.

Drusus
Museum für Kunst und
Geschichte Brüssel
Quelle: Wikimedia

Ab 16 v. Chr. wurden römische Truppen am Rhein stationiert, zwischen 12 v. Chr. und 8 v. Chr. unterwarfen die Römer zudem in vier nach dem Heerführer Drusus benannten Feldzügen zahlreiche rechtsrheinische germanische Stämme zwischen Rhein und Elbe. Insbesondere entlang der Lippe errichteten die Römer einige Militärlager. Ausgangspunkt für die militärischen Operationen stellte das 13/12 v. Chr. errichtete Kastell Vetera I bei Birten dar.

Um 8 v. Chr. nahmen die Römer entgegen des geltenden Rechtes eine große Zahl Männer der sugambrischen Führungsschicht, die als Unterhändler zu den Römern entsandt worden waren fest, worauf sie sich selbst das Leben nahmen. In der Folge beugte sich der Stamm der Sugambrer und ein beachtlicher Teil von rund 40.000 Menschen ließ sich auf die linke Rheinseite in römisches Gebiet umsiedeln. Auf diese Weise versuchten die Römer die auch am Niederrhein durch die weitgehende Vernichtung der Eburonen entstandenen Siedlungslücken im Bereich zwischen den heutigen Städten Kleve und Krefeld zu schließen.
Die neu angesiedelten sugambrischen Stammesteile verschmolzen mit bereits ansässigen Germanen sowie mit weiteren Umsiedlern anderer Stämme. Der so entstandene neue Stamm wurde fortan als Cugerner bezeichnet.  Der rechtsrheinisch verbliebene Teil der Sugambrer ging vermutlich in den wieder erstarkten Usipetern und Tenkterern auf. Denkbar ist auch, dass sie als Gambrivier oder Marser fortbestanden.

Tiberius
Ny Carlsberg Glyptotek,
Kopenhagen;
Quelle: Wikimedia
Münze mit Portrait des Varus;
Quelle: Wikimedia

Auch nach Drusus Tod 9 v. Chr. wurden weitere Feldzüge zur Unterwerfung der Germanen unternommen. Zu nennen sind hierbei die Heerführer Tiberius, Lucius Domitius Ahenobarbus und Marcus Vinicius. Wiederum diente das Militärlager Vetera I als Ausgangspunkt der Unternehmungen. Während die Römer im Immensum Bellum, dem gewaltigen Krieg, zwischen 1 n. Chr. und 5 n. Chr. noch siegreich waren, erlitt im Jahr 9. n. Chr. der römische Feldherr Publius Quinctilius Varus in der sogenannten Varusschlacht bei Kalkriese im Teutoburger Wald gegen die vom Cheruskerfürsten Armin angeführten germanischen Stämme eine vernichtende Niederlage, der die Hälfte der damaligen römischen Rheinarmee zum Opfer fiel.
In der Folge zog sich Rom auf die Rheingrenze zurück, die militärische Präsenz am Rhein wurde ausgebaut, Vetera I wurde mit 11.000 Legionären und hunderten Bewohnern eines angeschlossenen Lagerdorfes das größte auf Dauer angelegte Militärlager im römischen Reich.

In den Jahren 14 bis 16 unternahm Nero Claudius Germanicus noch einige mit gewaltigem Aufwand verbundene Feldzüge in rechtsrheinische Gebiete, um die aufständischen Germanen zu bestrafen und die Oberhoheit in Germanien zu gewinnen.6

Germanicus
Vatikanische Museen, Rom
Quelle: Wikimedia
Auxiliarsoldaten auf einer hölzernen Pontonbrücke;
Relief an der Trajanssäule;
Quelle: Wikimedia

Der römische Historiker Tacitus erwähnt in diesem Zusammenhang eine Rheinbrücke nahe Vetera. Der genaue Standort ist nicht bekannt, neben einem Standort in unmittelbarer Nähe des Lagers Vetera ist es auch gut möglich, dass sie sich oberhalb der Lippemündung befand. Es handelte sich sicherlich nicht um eine Steinbrücke, sondern eher um eine Holzbrücke bzw. Pontonbrücke, die das römische Heer in recht kurzer Zeit errichten konnte.9
Nach erheblichen römischen Verlusten bei der Schlacht von Idistaviso (bei Bückeburg-Evesen in Niedersachen), wurde auf Weisung Kaiser Tiberius der Feldzug abgebrochen. Die Legionen wurden auf die Rheinlinie zurückgezogen.6
Mit dem Rückzug wurde mit Sicherheit auch die Rheinbrücke wieder abgerissen.9

Das römische Militär legte auch am Niederrhein ein weitverzweigtes Straßennetz bestehend aus Fern- und Verbindungsstraßen an, wobei man sich zunächst an bereits bestehenden Handelswegen aus vorrömischer Zeit orientierte. Unter Kaiser Claudius dürfte es zwischen 41 und 54 n. Chr. dann ein regelrechtes Straßenbauprogramm für das Rheinland gegeben haben.7

Nero und Agrippina; Quelle: Wikimedia

Unter Kaiser Nero wurde der Limes zwischen 54 und 68 nochmals verstärkt. Die Umwehrungen und Hauptgebäude der bis dahin nur aus Holz und Erde errichteten Kastelle wurden nun durch Steinbauten ersetzt. In dieser Zeit wurde auch das Kastell auf dem Steinacker bei Büderich errichtet.
Die Gewannenbezeichnung Steinacker deutet bereits auf steinerne Reste von Gebäuden hin, im 19. Jahrhundert sind bereits einige Funde in den Bonner Jahrbüchern und heimatkundlichen Zeitschriften dokumentiert. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts führte der Büdericher Pfarrer und Heimatforscher Theodor Bergmann Grabungen durch, über deren Ergebnisse er in der Zeitung Bote für Stadt und Land schrieb. Seine stattliche Sammlung musste er 1940 dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn übergeben.8

Auxiliarsoldat mit Ausrüstung; Quelle: Wikimedia

Das Lager am Steinacker lag auf einer hochwasserfreien Anhöhe in der Auenterrasse des linken Rheinufers. Aufgrund der Lippemündung auf der gegenüberliegenden Seite des Rheins, die sich anders als früher angenommen und auch in aktueller Literatur zuweilen noch zu lesen ist, nicht bei der heutigen Ortschaft Flüren befand, sondern im Bereich zwischen den heutigen Orten Friedrichsfeld und Fusternberg, war das Büdericher Lager von strategischer Bedeutung.
Das Lager befand sich auf einer etwa 250 m mal 250 m großen Fläche die im Norden durch den alten Verlauf des Reuterweges und späteren Xantener Straße begrenzt wurde. Seit dem Bau der Büdericher Ortsumgehung bildet die Straße Am Sonnenaufgang, die hier dem alten Straßenverlauf folgt, den nördlichen Abschluss. Östlich wird die Fläche vom Perricher Weg und südlich vom Gester Weg begrenzt.
Zu römischer Zeit führten mindestens zwei Abzweigungen der Reichsstraße Köln-Xanten von Vetera zum Kastell Steinacker. Von dort führte die Straße offenbar weiter zu einer Furt gegenüber der Lippemündung sowie etwas östlich der späteren Landstraße Geldern-Wesel nach Drüpt, um dort wiederum auf die Reichsstraße Köln-Xanten zu stoßen.
Die mittelalterlichen Straßen Reuterweg (also Reiterweg) und Grindweg (was soviel bedeutet wie Kiesweg) dürften in weiten Teilen den alten Römerstraßen folgen.
Welche Truppengattung hier stationiert war ist bislang nicht geklärt. Die bisherigen Funde deuten darauf hin, dass es sich um 500 bis 1000 Fußsoldaten germanischer Herkunft sogenannte Cohors oder einem gemischten Verband (Cohors equitata), der üblicherweise zu 3/4 aus Infanteristen und zu 1/4 aus Kavalaristen bestand, handelte, während am Niedergermanischen Limes üblicherweise berittene Hilfstruppen sogenannte Alae stationiert waren.9

römische Holzreste am Rheinufer bei Büderich;
Foto: Kurt Rosendahl, 1967

Bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. dürfte der Büdericher Rheinbogen weitgehend waldfrei gewesen sein. Einerseits benötigten die Römer Holz zum Bau der Lager Vetera und am Büdericher Steinacker, für den Bau von Schiffen und Hafenanlagen sowie als Brennholz. Andererseits mussten Acker- und Weideflächen für die Versorgung der Militärlager geschaffen werden, so dass vermutlich nur die tiefergelegenen, sumpfigen Bruchgebiete noch mit Haseln, Erlen und Weiden bewachsen waren.

Auf den fruchtbaren Auenböden des Büdericher Rheinbogens wurden einheimische Getreidesorten wie Dinkel, Emmer, Gerste, Hafer, Hirse und Roggen angebaut sowie Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse, Flachs und Leinen. Vor allem aber wurde Viehzucht betrieben. Wobei das Rind als Zug- und Schlachttier diente. Als Milchlieferant dienten dagegen Schafe und Ziegen.10

Darüber hinaus liegt die Annahme nahe, dass von hier aus aufgrund der günstigen Lage und der vorhandenen Wege Handel mit rechtsrheinischen Germanen betrieben wurde.

Vitellius; Quelle Wikimedia

68 n. Chr brachen Unruhen im römischen Reich aus, Nero beging Selbstmord und mehrere Anwärter kämpften um die Nachfolge als Kaiser. Unter ihnen befand sich auch der niedergermanische Oberbefehlshaber Vitellius, der nach kurzer Herrschaft seinem Konkurrenten Vespasian, der sich am Ende des Machtkampfes durchsetzte, unterlag.
Da aber Vitellius für seinen Kampf um die Macht Truppen vom Rhein abgezogen hatte, war die Grenze weitgehend ungesichert. Das hatte zur Folge, dass sich die Bataver unter Iulius Civilis erhoben, ihr Aufstand war zunächst sehr erfolgreich. Neben Vetera I wurden auch alle anderen Lager am Rhein zerstört, darunter mit Sicherheit auch das Kastell am Büdericher Steinacker. Die hier stationierten germanischen Hilfstruppen schlossen sich vermutlich wie anderswo auch dem Aufstand an, vielleicht zerstörten sie ihr Lager auch selbst. Die römischen Legionäre des Lagers Vetera I, die ihre Waffen niedergelegt hatten und denen freier Abzug zugesichert worden war, wurden dennoch niedergemacht.
Im Juli des Jahres 70 kam es östlich des zerstörten Lagers Vetera zur Entscheidungsschlacht zwischen Römern und den aufständischen Batavern, bei der schließlich die Römer siegreich waren.8, 10

Schematische Darstellung des Lagers Vetera I kurz vor der Zerstörung durch die Bataver 70 n. Chr.; Quelle Wikimedia

Die genaue Lage der Schlacht ist nicht bekannt, doch gibt es Anhaltspunkte, die dafür sprechen, dass die Schlacht westlich von Werrich im Bereich der Bislicher Insel stattfand. So wurden in einer Kiesabgrabung nördlich des Willichshofs 1959 zwei Schädel und ein bronzener Helm vermutlich römischer Herkunft gefunden. Die heutige Altrheinschlaufe bei Birten bildete zu römischer Zeit nicht das Hauptstrombett des Rheins, dieses befand sich eher in dem Bereich des heutigen Rheinverlaufs.10 Nichtsdestotrotz wird die Gegend recht sumpfig gewesen sein, so dass die Beschreibung des römischen Geschichtsschreibers Tacitus gut mit der Gegend in Deckung gebracht werden kann:

Tacitus Historiae V: (14) »Eine breite sumpfige Wiesenniederung trennte die beiden Heere. Civilis hatte schräg in den Rhein einen Damm erbaut, der den Strom aufstaute, um jene Niederung unter Wasser zu setzen. Hierdurch entstanden trügerische Untiefen, nachtheilig für die Römer, die schwerbewaffnet und des Schwimmens unkundig, während die Germanen an Wasser gewohnt, leicht bewaffnet und durch ihre Körpergröße begünstigt waren.
(15) Als die Bataver hierauf trotzten, begannen die Verwegenstender Unsrigen den Kampf. Aber bald entstand Verwirrung, als in dem tiefen Sumpf Fußvolk und Reiter versanken. Die Germanen sprangen über die ihnen bekannten Untiefen, vermieden unsere Front, umgingen uns in Flanke und Rücken.
Auch wurde nicht wie sonst zu Lande in geordneter Schlachtlinie in der Nähe, ondern wie in einer Seechlacht, wogend hin und her zwischen den Wellen, oder wo sich fester Boden fand, mit allen Kräften dahin drängend gekämpft, Verwundete und Unverletzte, Schwimmer und des Schwimmens Unkundige in wechselseitiges Verderben hinabgezogen. Und doch war trotz des Getümmels das Blutvergießen nicht groß, da die Germanen aus dem Sumpf nicht hervorkamen und dann in ihr Lager zurückkehrten. Der Ausgang dieses Treffens ermuthigte beide Heerführer in verschiedenem Sinne, den Entscheidungsschlag zu beschleunigen, — Civilis, um sein Glück zu verfolgen, Cerialis, um die Schmach zu tilgen. Die Germanen trotzten auf ihre Erfolge, die Römer spornte die Scham. Die Nacht verging bei den Barbaren unter Gesang und Lärmen, bei den Unsrigen in Wuth und in Drohungen.

(16) Am folgenden Morgen verstärkte Cerialis sein Vortreffen durch Reiterei und Hülfskohorten und ordnete die Legionen des zweiten Treffens. Eine auserlesene Schaar hielt der Heerführer für besondere Fälle in Reserve. Civilis stellte sein Heer nicht in langer Schlachtlinie, sondern in Keilhaufen auf. Die Bataver und Gugerner standen zur Rechten, links und näher dem Fluß die Überrheinischen. Die Ermahnung der Heerführer geschah nicht nach Art einer Ansprache an die Gesammtheit, sondern wie sie die Schlachthaufen der Ihrigen erreichten. Cerialis sprach vom alten Ruhm des römischen Namens, von früheren und neueren Siegen, — den treulosen, feigen und besiegten Feind sollten sie jetzt für immer vernichten. Rache sei nothwendiger als Kampf. Neulich hätten sie in der Minderzahl gegen Übermacht gefochten und dennoch die Germanen geschlagen, und zwar deren Hauptmacht. Jetzt seien nur noch die übrig, die schon an die Flucht dächten, ihre Wunden auf dem Rücken trügen. Bei den Legionen wandte er besondere Mittel zur Anstachelung des Ehrgeizes an, indem er die 14. Legion die Bändiger Britanniens nannte, die 6. habe durch ihre Entscheidung Galba zum Fürsten erhoben, die 2. solle in dieser Schlacht ihre neuen Feldzeichen, den neuen Adler einweihen. Dann wandte er sich weiterreitend an die germanischen Hülfstruppen und zeigte mit ausgeftreckten Händen ihr eigenes Uferland, ihr eigenes Lager sollten sie mit Feindesblut wieder erkaufen. Lebhafter Zuruf antwortete ihm von Allen, die entweder nach langem Frieden den Kampf begehrten, oder müde des Krieges auf Friede, Lohn und künftige Ruhe hofften.
(17) Auch Civilis ordnete nicht stillschweigend sein Heer und rief das Schlachtfeld als Zeugen ihrer Tapferkeit an. Hier auf den Fußstapfen ihres Ruhmes ständen Germanen und Bataver, über der Asche und den Gebeinen der Legionen. Wohin der Römer nur fein Auge wende, sähe er seine Gefangenschaft, seine Niederlage und jegliches Grauen. Der wandelbare Ausgang der Treverischen Schlacht möge sie nicht schrecken. Ihr eigener Sieg habe dort den Germanen geschadet, als sie die Waffen ablegten und die Hände mit Beute beschwerten. Aber bald sei Alles glücklich und zum Verderben des Feindes gewendet: Was nur durch Geschick und List der Führer zu erreichen war, sei vorgesehen, nasse und ihnen bekannte Felder, Sümpfe, dem Feinde verderblich. Der Rhein und die Grötter der Germanen ständen vor ihren Augen. Unter ihrer Obhut sollten sie in den Kampf gehen, eingedenk ihrer Frauen, ihrer Eltern, ihres Vaterlandes. Dieser Tag werde entweder der ruhmvollste aller früheren Tage sein oder ein Tag der Schmach für alle Nachkommen.
Als fie mit Waffenklirren und Stampfen, wie es bei ihnen Sitte ist, zugestimmt, wurde mit Steinen, Kugeln und anderem Wurfgeschoß die Schlacht eröffnet, ohne daß unsere Soldaten in den Sumpf gingen, obwohl die Germanen sie durch Feindseligkeiten hineinzulocken suchten.

(18) Als die Wurfgeschosse verbraucht waren, und der Kampf entbrannte, stürmte der Feind wilder heran. Mit seinen mächtigen Körpern und langen Speeren durchbohrte er aus der Ferne die wogenden und wankenden Krieger. Zugleich kam ein Keilhaufen von Brukterern aus der Gegend des Dammes, der, wie früher gesagt, in den Rhein gebaut war, über den Strom geschwommen. Hier entstand Verwirrung, die Schlachtlinie der Bundeskohorten wurde zurückgedrängt, da nahm die Legionsreserve das Gefecht auf, die Wuth des Feindes zu dämpfen und das Gleichgewicht herzustellen. Inzwischen kam ein batavischer Überläufer zu Cerialis und versprach, ihn in den Rücken des Feindes zu führen, wenn man um das Ende des Sumpfes Reiterei entsendete. Dort sei fester Boden, und die Gugerner, denen die Bewachung dort aufgetragen, wären nicht auf der Hut. Zwei Geschwader wurden mit dem Überläufer abgeschickt und überflügelten den sorglosen Feind. Sobald man dies an dem Geschrei bemerkte, drangen die Legionen in der Front vor, und die geschlagenen Germanen eilten fliehend nach dem Rhein. Der Krieg würde an diesem Tage beendet sein, wenn die römische Flotte schnell gefolgt wäre. Auch die Reiterei setzte nicht nach, weil ein Platzregen kam und die Nacht einbrach.«11, 12

römischer Ziegel mit dem Stempel der Legio XXII;
Sammlung Ballmann

In der Folge wurden die zerstörten Kastelle wieder aufgebaut. Das Lager Vetera bei Birten wurde etwas weiter östlich vom ursprünglichen Standort in Rheinnähe neu errichtet und wird heute allgemein Vetera II genannt.  Es war kleiner als das ursprüngliche Lager Vetera I und bot Platz für etwa 5400 Legionäre, also für nur noch eine Legion.
Durch eine Änderung des Rheinverlaufs im 4. Jahrhundert wurde es vernichtet, noch heute wird die Fläche weitgehend vom Birtener Altrhein überdeckt.
Das Lager Steinacker bei Büderich wurde innerhalb des oben genannten Bereich wiedererrichtet. Aus dieser Zeit stammen auch die hier gefundenen römischen Ziegel der XXII. Legion Primigenia.

Um 90 wurden die beiden Provinzen Germania Superior (Obergermanien) mit der Hauptstadt Mainz und Germania Inferior (Niedergermanien) mit der Hauptstadt Köln gebildet, die bis dato Heeresbezirke darstellten, die verwaltungstechnisch zu Gallien gehörten.

Um 100 erhob Kaiser Trajan die Cugerner-Siedlung nördlich des Militärlagers Vetera, die möglicherweise den Namen Cugernorum oder auch Cibernodurum trug, zur Stadt Colonia Ulpia Traiana. Diese war, wie jede römische Stadt, ein kleineres Abbild Roms und wuchs nach Colonia Claudia Ara Agrippinensium (Köln) und Augusta Treverorum (Trier) zur drittgrößten römischen Stadt nördlich der Alpen heran. Veteranen u. a. der zuvor in Vetera stationierten Legionäre erhielten hier Grundstücke, ließen sich nieder und bildeten eine wohlhabende Einwohnerschicht. Aber auch Cugerner lebten hier als römische Bürger.
Die für die damalige Zeit gewaltige Stadt dürfte eine starke Ausstrahlung auf das Umland und somit in besonderer Weise auch auf den Büdericher Rheinbogen ausgeübt haben. Inzwischen sind in diesem fruchtbaren Gebiet etwa zehn Siedlungsstellen mit römischen Gebäudespuren entdeckt worden. Hierbei handelte es sich um Landgüter (Villae Rusticae), die zur Versorgung der nahegelegenen römischen Stadt und der Militärlager beitrugen.
Insgesamt erlebte das römische Reich im 2. Jahrhundert eine recht friedliche Blütezeit, von der auch die Provinz Niedergermanien profitierte. So stammt auch die überwiegende Zahl der römischen Siedlungsfunde im Raum Büderich/Ginderich stammt aus dem 2. Jahrhundert und dem Anfang des 3. Jahrhunderts.9

Skizze des 1788 bei Alt-Büderich
gefundenen Jupiter-Altars

Nach derzeitiger Erkenntnissen, die auf den archäologischen Funden und hier besonders auf der Terra sigillata basiert, wurde das Lager am Steinacker etwa um 170 ±20 Jahre aufgegeben.13 Vermutlich wurde das Kastell aber lediglich verlegt, schließlich handelte es sich um einen Ort von strategischer Bedeutung. Ursula Maier-Weber hält es für denkbar, dass das Kastell noch näher an den Rhein verlegt wurde, möglicherweise in Verbindung mit einer Anlegestelle. Ihrer Ansicht nach käme dazu der Bereich von Alt-Büderich in Betracht.
Ein im Jahre 1788 vom Büdericher Bürger Abels bei Feldarbeiten in der Nähe Alt-Büderichs gefundener Jupiter-Altar könnte ursprünglich im Lager am Steinacker oder auch auf einem noch unbekannten Nachfolgelager gestanden haben, da die unterste Zeile der Inschrift L(oco) MVNITO auf einen befestigten Ort hindeutet. Gestiftet wurde der 60 cm hohe Kalkstein von einem Cl(audius) Nero.8

Während der Regentschaft Kaiser Commodus drangen rechtsrheinische Germanen in die niedergermanische Provinz ein, könnten aber noch leicht zurückgeschlagen werden.
Während der dritten Jahrhunderts schlossen sich jedoch rechtsrheinische Stämme zu größeren Verbünden zusammen, die später als Franken, was soviel heißt wie die Tapferen, die Kühnen, in die Geschichte eingehen sollten.  Diese Stammesverbünde brachen ab der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts mehrmals ins römische Reich ein, erstmals 256/257 und im stärkeren Maße im Jahre 276 als sie viele Orte darunter auch Teile der größten Stadt am Niederrhein Colonia Ulpia Traiana sowie das Legionslager Vetera II zerstörten.
Inwieweit die Landgüter im Bereich Büderich/Ginderich von den Überfällen betroffen waren ist bislang nicht bekannt. Jedoch sind aus spätrömischer Zeit erheblich weniger römische Funde gemacht worden.10

Aureus des Postumus;
geprägt in Trier um 268;
Quelle: Wikimedia

Für einige Jahre konnten die aufständischen Kaiser des von 260 bis 274 bestehenden Gallischen Sonderreiches unter Postumus und seinen Nachfolgern die Germanen noch weitgehend abwehren bzw. zurückdrängen. Kaiser Aurelian gelang es im Jahre 274 den letzten Herrscher des bereits geschrumpften Gallischen Sonderreiches Tetricus  zu schlagen und das Reich wieder zu einen.

Die Stadt Colonia Ulpia Traiana wurde um 285 in verkleinerter Form mit Integration eines Teils der XXX. Legion unter der Bezeichnung Tricensimae wieder aufgebaut.10

Unter Diokletian (284-305) wurde die Verwaltung neu gegliedert, die Provinz Germania Inferior wurde dabei zur Provinz Germania Secunda und gehörte zur Diözese Gallien.

Konstantin der Große
Kapitolinische Museen, Rom

Unter Konstantin (306-337) und Valentinian I. (364-375) wurde der Limes wieder verstärkt und es wurden auch neue Kastelle errichtet. Dies hatte zur Folge, dass es auch im 4. Jahrhundert zu Jahren und Jahrzehnten relativer Ruhe kam.  Insgesamt blieb die Lage am Niederrhein aber instabil, es kam immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Franken.

Kaiser Konstantin erlaubte den Christen die freie Ausübung ihrer Religion. Möglicherweise wurden schon zu dieser Zeit auch erste Gemeinden am Niederrhein gegründet.
Im Jahr 395 wurde das Römische Reich in eine westliche und eine östliche Hälfte geteilt, an deren Spitze jeweils ein Kaiser stand.

Im 5. Jahrhundert kam es zum Ende der römischen Herrschaft am Niederrhein. Zu Beginn des Jahrhunderts wurden die verbliebenen Truppen zur Verteidigung Italiens abgezogen. Von nun an ließen sich fränkische Siedler als in der Provinz Germania Secunda nieder. Da man sie mit militärischen Mitteln nicht mehr aufzuhalten vermochte, schloss man Bündnisse mit ihnen. Sie sollten als sogenannte Foederati die Verteidigung gegen weitere nachrückende Germanen übernehmen.
Vielerorts erhielt sich trotz der Ansiedlung fränkischer Stämme aber noch eine romanisierte Lebensweise bis in die Mitte des 5. Jahrhunderts. In unserem Bereich fehlen bislang Funde dieser Übergangsphase.
Die Franken bildeten monarchische Strukturen aus und gründeten Kleinkönigtümer. Zu den ersten namentlich bekannten fränkischen Kleinkönigen zählen die Salfranken Chlodio und Merowech, auf deren Abstammung sich die  fränkischen Könige vom Geschlecht der Merowinger beriefen.

Im Jahr 451 kämpften die Franken gemeinsam mit Römern und Westgoten siegreich auf den Katalaunischen Feldern gegen die Hunnen. Mit dem Sieg über die Hunnen endete aber zugleich auch die römische Herrschaft in Germanien.9
Wenige Jahre später endete im Jahr 476 mit der Absetzung Romulus Augustus (auch bekannt als Romulus Augustulus) durch Odoaker, einen weströmischen Offizier germanischer Herkunft, das Weströmische Reich.

Marcus Abram

 

Im folgenden Kapitel wird der Aufstieg der Franken im Frühmittelalter behandelt.

Quellen:

  1. Gaius Iulius Caesar: Commentarii de bello Gallico (Aufzeichnungen zum Gallischen Krieg), Buch 4
  2. Werner Böcking: Der Niederrhein zur römischen Zeit. Archäologische Ausgrabungen in Xanten; Kleve, 1987, ISBN 3-924637-08-3
  3. Annika Domainko: Caesars Genozid an der Maas, Spektrum der Wissenschaft, 13. Januar 2016
  4. Wikipedia: Manapier
  5. Gaius Iulius Caesar: Commentarii de bello Gallico (Aufzeichnungen zum Gallischen Krieg), Buch 6
  6. Wikipedia: Germanicus-Feldzüge
  7. Detlef von Detten: Die Rheinaue Borth-Wallach. Genese einer Kulturlandschaft IN: Das Erbenbuch der Deichschau Borth-Wallach. Eine Landschaftsaufnahme von 1580, Selbstverlag des Kreisarchivs Wesel, 1994
  8. Ursula Maier-Weber: Ein römisches Militärlager bei Wesel-Büderich, IN: Jahrbuch Kreis Wesel 1993, Boss-Druck und Verlag Kleve, 1992, ISBN 3-89413-053-9, S. 197-202
  9. Ursula Maier-Weber, Claus Weber: Urgeschichte und römische Zeit, IN: Wesel. Kleine Stadtgeschichte, Selbstverlag des Stadtarchiv Wesels, 2017, ISBN 978-3-924380-33-5, S. 27-35
  10. Clive Bridger: Römerzeit und Frühmittelalter auf Gindericher Gebiet, IN: Römer, Wallfahrt, Landwirtschaft. Zwei Jahrtausende Gindericher Geschichte, Selbstverlag des Stadtarchiv Wesels, 2000, ISBN 3-924380-18-X
  11. Publius Cornelius Tacitus: Historiae (Historien) – Geschichte des römischen Reiches von Galba (69) bis Domitian (96)
  12. Georg von Veith: Vetera Castra mit seinen Umgebungen als Stützpunkt der römisch-germanischenKriege im 1. Jahrhundert v. u. n. Chr., Berlin, 1881
  13. Clive Bridger: Näheres zur Datierung des Auxiliarlagers von Wesel-Büderich, Kreis Wesel, unter besonderer Berücksichtigung der Terra sigillata, IN: Perspektiven der Limesforschung. 5.Kolloquium der deutschen Limeskommission. Beiträge zum Welterbe Limes, Stuttgart, 2010, ISBN 978-3-8062-2465-8, S. 49-53